Mit Stolz und Anerkennung in die Heimat

Am 30.06.2006 ist Trainer José Nestor Pekerman der Sündenbock einer gesamten Nation. Soeben ist die argentinische Nationalmannschaft im Viertelfinale der Fußball-Weltmeisterschaft an Gastgeber Deutschland gescheitert. Trotz einer 1:0-Führung und eindeutiger Spielkontrolle. Experten, Medien und Fans machen Pekerman für diese Niederlage hauptverantwortlich. Er hätte falsche Auswechslungen vorgenommen, so der Vorwurf.

 

Besonders die Auswechslung von Spielmacher Riquelme stößt in Argentinien hohe Wellen auf. Statt dem damals 18-jährigen Lionel Messi schenkt Pekerman dem erfahrenen Julio Cruz das Vertrauen. Argentinien fängt sich das 1:1 durch Miroslav Klose und verliert das Spiel letztlich im Elfmeterschießen. Pekerman tritt als Trainer zurück und legt eine einjährige Fußballpause ein.

 

Aus der Traum: Das Endspiel im Estadio Maracana findet ohne Kolumbien statt. Foto: WM 2014/flickr.com

Aus der Traum: Das Endspiel im Estadio Maracana findet ohne Kolumbien statt. Foto: WM 2014/flickr.com

Acht Jahre später ist der inzwischen 64-jährige Argentinier zurück auf der größten Fußballbühne der Welt. Zurück im Rampenlicht, zurück im Viertelfinale einer Weltmeisterschaft. Immer wieder wird er mit den Ereignissen des Jahres 2006 konfrontiert. „Man erinnert mich oft daran und vergisst darüber alles andere“, erklärte Pekerman acht Jahre nach dem WM-Aus mit Argentinien. Als Trainer der Kolumbianer überzeugt Pekerman diesmal jedoch durch eine klare, taktische Ausrichtung. Er schafft es, dass seine Spieler bis ans Limit gehen. Er pusht, coacht und leidet an der Seitenlinie mit. Und doch ist der große Traum vom Halbfinale erneut ausgeträumt.

 

Mischung aus Jung und Alt

 

Abermals muss sich Pekerman dem Gastgeber im Viertelfinale geschlagen geben. Nach der knappen 1:2-Niederlage gegen Brasilien fährt Kolumbien enttäuscht nach Hause. Mit etwas Abstand dürfte auch die Mannschaft stolz auf ihre Leistung sein. Pekerman wird, anders als noch vor acht Jahren, von den Medien verehrt. Denn in der zweiten Halbzeit dieser Viertelfinal-Partie in Fortaleza bot Kolumbien dem Gastgeber mehr als nur Paroli. In der Schlussphase spielte sich das Geschehen fast ausschließlich in der Hälfte der Brasilianer ab. Zu mehr als dem 1:2-Anschluss durch den wieder einmal bärenstarken James Rodríguez reichte es allerdings nicht.

 

Bei vielen Experten herrschte bereits vor dem Turnier Einigkeit über die Rolle dieser Fußball-Nation. Als souveräner Gruppenzweiter hinter Argentinien meisterte Kolumbien die Qualifikation zur WM. Die starke Offensive sollte auch bei diesem Turnier als Trumpf gelten. Trotz des Kreuzbandrisses von Stürmerstar Radamel Falcao rissen die Lobeshymnen nicht ab. Pekerman hat es geschafft, eine gesunde Mischung aus Jung und Alt auf den Rasen zu schicken, die für jeden Gegner unangenehm zu bespielen war. Der Kontrahent hatte oft mehr Ballbesitz – die Tore erzielte allerdings Kolumbien.

 

Sichere Defensive, variable Offensive

 

Manche Kritiker hatten die Abwehr um den bereits 38-jährigen Haudegen Mario Yepes von Atalanta Bergamo als Schwachpunkt der Südamerikaner ausgemacht. Doch gerade Yepes sorgte hinten immer wieder für Ordnung und machte seine fehlende Schnelligkeit oft durch perfektes Stellungsspiel und starke Tacklings wett. Für Kreativität sorgten allerdings andere: Kaum ein Spieler dürfte nach dieser WM so im Gedächtnis bleiben wie James Rodríguez. Der 22-Jährige vom AS Monaco erzielte nicht nur das bislang schönste Tor des Turniers im Achtelfinale gegen Uruguay, sondern überzeugte auch besonders im Dribbling und in der Spieleröffnung. Ob als hängende Spitze, als Spielmacher oder auf der Außenbahn: Er lieferte während des gesamten Turniers überall überdurchschnittliche Leistungen ab.

 

Bittere Tränen weinte James nach dem Aus in Fortaleza. Er hatte während der 90 Minuten oft für spielerische Überraschungsmomente gesorgt. Brasiliens Trainer Luiz Felipe Scolari ließ James in nahezu jeder Situation mindestens doppeln. Und doch war das Juwel zeitweise nicht zu stoppen. Gemeinsam mit den weiteren Offensivakteuren ließ er den verletzungsbedingten Ausfall von Falcao nahezu in Vergessenheit geraten.

 

Das Kollektiv war es, das Kolumbien so stark machte. Pekerman hat gezeigt, dass man es mit Talent und mannschaftlicher Geschlossenheit durchaus weit bringen kann. Er hat mit seiner Spielphilosophie bleibenden Eindruck hinterlassen und gleichzeitig für einen WM-Rekord gesorgt: Nie zuvor setzte ein Coach in nur einem Turnier gleich 22 verschiedene Spieler ein. Pekerman machte auch den ehemaligen Kölner Torwart Faryd Mondragon zum Rekordhalter, indem er den 43-Jährigen in der Schlussphase des Gruppenspiels gegen Japan einwechselte und somit zum ältesten aktiven Akteur bei einer Weltmeisterschaft werden ließ. Trotz des Ausscheidens im Viertelfinale haben Pekerman, James und Co. also irgendwie doch Geschichte geschrieben.

 

Teaserfoto: Wilhelmine Wulff/pixelio.de

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