Live fast and die young!

Am 5. April 1994 wurde Kurt Cobain, der Frontmann der Band Nirvana, zum fünften Mitglied des Klubs 27. Ein Schuss aus einer Schrotflinte befreite ihn von seinen inneren Dämonen und vom Druck der Berühmtheit. Unser Autor Pierre-Jean kann sich noch gut an diesen Tag erinnern. Zum 20. Todestag von Kurt Cobain blickt er zurück auf die Ära des Grunge, auf Nirvanas Vorgänger und Zeitgenossen. 

Teaserbild: Angeluis Boligrafo, flickr.com

Sie reiht sich ein in die großen Fragen des Lebens: Wo warst du, als die Berliner Mauer fiel? Wo warst du am 11. September 2001? Wo warst du, als Kurt Cobain starb? Am 5. April 1994, als er mit 27 Jahren sein letztes Heroin-Fix vorbereitete, als er seinen letzten Brief schrieb und als er sein Remington M-11 Gewehr lud, war ich in Deutschland. Genauer in der Provinzialstraße 88 in Bonn, bei der Familie meiner Austauschschülerin Annette.

Nirvana vs. Eurodance

Annette und viele meiner Mitschüler hörten in dieser Zeit gerne Take That oder die ganze Reihe von Eurodance DJs und Bands. Einige Eurodance-Titel hatte auch ich auf den Kassetten, die ich auf meinem Sony Walkman hörte. Darauf gab es aber auch viele Lieder von Nirvana. Seit zwei Jahren war ich ein Fan dieser Band. Die Alben Nevermind und In Utero, hatte ich ein paar Monate vorher gekauft. Noch war ich kein richtiger Rebell, die  Geschichte der Rockmusik kannte ich nur in Ansätzen. Doch das änderte sich schlagartig, als Kurt Cobain sich eine Kugel in den Kopf jagte.

Am 8. April entdeckte ein Elektriker die Leiche von Cobain in Seattle. Mit einer Schrotflinte beendete der Nirvana-Frontmann sein Leben. Seit Jahren war es mit ihm bergab gegangen. Es bedeutete das Ende des letzten richtigen Meilensteins der Rock-Geschichte. Kurt Cobain soll dem medialen Druck nicht mehr gewachsen gewesen sein, der 1991 nach dem weltweiten Erfolg des Albums Nevermind auf ihn einstürzte. Im Februar hatte er sich mit einer Waffe fotografieren lassen. Am 4. März, drei Tage nach dem letzten Konzert Nirvanas in München soll er schon einmal versucht haben, sich mit Schlaftabletten das Leben zu nehmen. Am 18. März hatte die Polizei in Seattle bei ihm mehrere Waffen konfisziert. Deswegen hatte ein Freund einige Tage später ein neues Gewehr für Cobain gekauft, noch bevor der Sänger in ein Rehabilitationszentrum ging, um clean zu werden. Dort blieb er jedoch nur zwei Tage.

Sein Tod veränderte mein Leben

Am 9. April überkamen mich die gleichen Gefühle, die wohl jeder Fan der Mitglieder des Klubs 27 schon vor mir gespürt haben: Schmerzhafter Verlust, Hilfslosigkeit und die Ungewissheit davor, wie sich die Musikwelt verändern würde. Eigentlich bin ich der Meinung, dass Nirvana die letzte „Qualitätsband“ mit solch einem Ruhm und solch einem weltweiten Erfolg war. Die Band war die Standarte der so genannten Grunge-Szene. Eine Szene, die sich am Ende der 1980er, dank des Labels Sub Pop, in Seattle entwickelte. Laut Wikipedia ist Grunge ein Mix aus Punkrock und Heavy Metal. Konkret bedeutet das verzerrte Gitarren, viele Powerchords – das sind besondere Gitarrenakkorde –, langsame Strophen,  energische Refrains, eine depressive und pessimistische Stimmung, sowie alte, zerrissene und schmutzige Klamotten.

Das traurige Ereignis veränderte mein Leben. Nach dem Tod von Cobain erlebte ich meine Adoleszenzkrise. Kurzarm-T-Shirt über Langarm-T-Shirt, Karohemden, abgetragene Jeans und langes Haar trug ich viele Jahre. Ich lernte viel über Drogen und Frauen,  als ich die Geschichte des Rocks fleißig nachholte. Dies ist ein kurzer Überblick über die Bands vor und neben Nirvana, danach kam nicht mehr viel. 

Vor Nirvana

Neil Young

Als „Godfather of Grunge“ gilt Neil Young. Der Autor von Harvest, eines der besten Alben der Rockgeschichte, ist seit den 1960ern aktiv. Mit den Liedern seiner Band Crazy Horse ebnete er den Weg zum Grunge und beeinflusste die ganze alternative US-Rockszene. In seinem Abschiedsbrief zitierte Kurt Cobain das Lied Youngs My My, Hey Hey (Out Of The Blue):  „It’s better to burn out than to fade away“. 1994 und 1995 widmete Neil Young Cobain zwei Lieder: Sleeps with Angels und Fallen Angel.

Germs

Nirvana trat fast immer als Power-Trio auf: Kurt Cobain (Gitarre und Stimme), Krist Novoselic (Bass) und Dave Grohl (Schlagzeug). Trotzdem hatte die Band am Ende ihrer Karriere ein viertes Mitglied: Pat Smear, der zum Beispiel beim Konzert MTV Unplugged in New York spielte. Smear war früher der Gitarrist einer der ersten US-Punk-Bands: Germs. Leider hat sich Darby Crash, der Sänger von Germs, 1980 mit 22 Jahren umgebracht.

Sonic Youth

Diese Band aus New York ist auch eine Ikone des US-Alternative-Rocks. Ihre dissonante Musik wurde in den 1980ern von den Kritikern gefeiert. 1990 produzierte das Major Label Geffen, zum ersten Mal ein Alternative-Rock Album: Goo von Sonic Youth. Kim Gordon und Thurston Moore, die Freunde von Cobain waren, überzeugten ihn, Nevermind  auch bei Geffen produzieren zu lassen. Zudem ging Nirvana 1991, noch vor dem Weltruhm, auf Tour mit Sonic Youth. Die Dokumentation The Year That Punk Broke zeigt eindrucksvoll die Stimmung während der Tour.

Melvins

Dale Crover, der Schlagzeuger der Melvins, hatte auch Cobains erste Band Fecal Matter mitgegründet. Er ist bei manchen Titeln des Albums Bleach vertreten, dem 1989 veröffentlichten ersten Album von Nirvana, und bei Incesticide. Die Melvins haben die Seattle-Szene in den 1980ern stark geprägt.

Während Nirvana

Pixies

Von den Pixies stammt nicht nur das Lied Where is My mind, sie sind auch eine der wichtigsten Bands der Rock-Musik. Auf die Musik von Kurt Cobain hatten die Pixies einen großen Einfluss. Immer wieder zitierte der Sänger die Band. 1994 erklärte er der Zeitschrift Rolling Stones bezüglich des Songs Smells Like Teen Spirit: „I was trying to write the ultimate pop song. I was basically trying to rip off the Pixies. I have to admit it. […] We used their sense of dynamics, being soft and quiet and then loud and hard.“

Hole

1992 heiratete Kurt Cobain Courtney Love, die Tochter des Managers der Hippie Band Grateful Dead. Die Musikerin spielte in den 1980ern in vielen Bands. Ihr Hauptprojekt war aber Hole. Courtney und Kurt standen bis zu seinem Tod wegen ihrer chaotischen Beziehung, ihres Drogenkonsums und ihrer Musik im Mittelpunkt der Klatschpresse.

The Vaselines

Auf den Nirvana-Alben Incesticide und MTV Unplugged in New York wurden einige Songs der schottischen Band The Vaselines gecovert. Cobain beschrieb die zwei Mitglieder, Frances McKee und Eugene Kelly, als seine „Lieblingsliedermacher auf der ganzen Welt“. Zudem stammt vielleicht der Vorname von Cobains Tochter, Frances Bean, von Frances McKee, der Sängerin der The Vaselines.

Die Grunge-Szene

Fast alle Bands der Grunge-Szene kamen aus Seattle und die meisten waren bei dem Label Sub Pop unter Vertrag. Unter anderem auch: Soundgarden, Mudhoney, Pearl Jam, Tad, Alice in Chains und L7.

Nach Nirvana

Foo Fighters

Einige Monate nach dem Tod von Kurt Cobain gründete Dave Grohl, der Schlagzeuger von Nirvana, Foo Fighters und er veröffentlichte den Titel This is a Call. Seitdem ist die Band immer aktiv geblieben.

Die Britpop-Szene

Der riesige Erfolg der amerikanischen Rock-Musik am Anfang der 1990er machte die britischen Musiker eifersüchtig. Als Tony Blair und seine „New Labor“-Partei die Macht übernahmen, entwickelte sich auch eine ganze kulturelle Bewegung: Die Cool Britannia. Den musikalischen Teil nannte man Britpop. Man kennt natürlich Oasis, deren erstes Album Definitely Maybe 1994 erschien. Britpop gab es bis zum Ende der 1990er. Bekannte Bands sind unter anderem The Verve, Pulp, Blur und Supergrass.

Heute tragen adrette Studentinnen zerrissene Jeans

Die Geschichte der Musik läuft stetig weiter. Doch der Tod von Kurt Cobain veränderte eine ganze Generation. Nirvana war meiner Meinung nach die letzte Band, die verschiedene Interessen und Geschmäcker vereinte. Die Singles von Nirvana wurden überall ausgestrahlt und von vielen gemocht. MTV und Viva waren noch richtige Musikkanäle. Heute schaut man sich Videos nur noch bei YouTube an und kauft Einzeltitel bei iTunes. Adrette Studentinnen tragen saubere zerrissene Jeans. Converse Schuhe werden in Vietnam – damals „made in USA“ – produziert und Karl Lagerfeld näht Grunge-Kleidung. Doch Rock, Punk und Grunge starben mit Kurt Cobain, heute vor 20 Jahren. 

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