Zurück aus Afghanistan

Ein Ausblick nach dem Einsatz

Fast drei Jahre war das Thema Afghanistan durch die Einsätze, aber auch durch deren Vorbereitung und spezielle Lehrgänge bestimmend für Hans. Nun, zu Hause in Deutschland, „muss man sich erst mal ums soziale Umfeld zu kümmern.“ Familie, Freundin und Freunde sind froh, ihn wieder wohlbehalten in die Arme schließen zu können. Schließlich war Hans ein halbes Jahr in weiter Ferne. Das normale Leben in Deutschland hat nun wieder Priorität. Jedoch in Afghanistan selber, betont er, gab es niemals einen Lagerkoller bei ihm. Die viele Arbeit und Soldaten, zu denen sich intensive Freundschaften etwickelten, sorgten dafür. Kontakt zur Heimat konnte er in Kunduz selber via Internet und Telefon halten. Post und Pakete aus der Heimat erreichten ihn im Lager. Generell ist er sogar nicht abgeneigt für einen dritten Einsatz als Sanitäter. Ein dritter Einsatz ist jedoch angesichts des geplanten Truppenabzugs 2014 für Hans mehr als unwahrscheinlich. Dann sollen ausschließlich afghanische Sicherheitskräfte für die Stabilität des Landes sorgen. Doch die Voraussetzungen hierfür sind schlecht.

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Der Vielvölkerstaat Afghanistan ist von vielen Grenzen und Konfliktlinien geprägt.

Kontroversen und Diskussionen

Hans ist sich der hitzigen Kontroversen um den Einsatz und den hochkomplexen Konflikt am Hindukusch bewusst. „Diese Diskussion geht ja auch an uns, als Betroffenen, nicht vorbei!“ In Deutschland werden Auslandseinsätze und militärische Interventionen – aus historischen Gründen – verständlicherweise häufig kritisch gesehen. Befürworter des ISAF-Einsatzes berufen sich auf die deutsche Geschichte und verweisen darauf, dass die nationalsozialistische Diktatur in Deutschland nicht durch Appeasement gestoppt werden konnte. Kritiker berufen sich darauf, dass Afghanistan niemals längerfristig befriedet werden konnte und dass eine Mischung aus Bildungsmangel, ethnischen Konflikten, den Stammestraditionen und religiösen Extremismus den Einsatz im Voraus zum Scheitern verurteilt. Manche Kriegsgegner sprechen von US-Imperialismus, andere lehnen militärische Einsätze generell und kategorisch ab. Doch gibt es keine einfachen Antworten. Kann man Afghanistan und seine im Wachsen begriffene Bevölkerung einfach fallen lassen, den Rücken kehren und ein mögliches Wiederaufleben der Taliban moralisch verantworten, gerade wenn das ebenfalls fragile Pakistan, das zudem über Atomwaffen verfügt, in umliegender Nachbarschaft grenzt? Welches Signal würde ein Auseinanderbrechen des Landes auf die gesamte Region haben? Darf oder soll man mit den Taliban verhandeln?

ISAF-Soldat in Afghanistan

Hans ist sich der Kontroversen zu seinem Einsatz bewusst. Er freut sich aber, dass der Alltag der Bundeswehrsoldaten in Afghanistan verstärkt von den Medien aufgegriffen wurde.

Welche Rolle und welche Verantwortung soll Deutschland in der internationalen Staatengemeinschaft übernehmen? Ist die ISAF-Mission legitim oder überhaupt erfolgsversprechend und was folgt nach dem Abzug? Empfindet die Mehrheit der Afghanen die ISAF als Befreier oder als Besetzer? Es gibt viele Fragen. Das Thema ist komplex.

Der ungeliebte Einsatz

Hans ist sich bewusst, dass es große Widerstände zum ISAF-Mandat, aber auch große Sorgen um die Truppen hier in Deutschland gibt. Es ist ein unpopulärer Einsatz. Er spricht von einem vom Krieg geprägten „Flickenteppich, in dem jeder gegen jeden Krieg führt“. Seiner Einschätzung nach ist das Land noch nicht in der Lage, eigenständig für Sicherheit zu sorgen. Er glaubt jedoch nicht daran, dass die Vogelstrauß-Taktik des Nichtsehens und des Nichthandelns richtig ist. Er widersetzt sich so der Auffassung, dass ein überhasteter Abzug richtig und im Sinne Afghanistans ist und betont, dass es vorrangig wichtig sei, die richtigen zivilen Strukturen zu schaffen und die afghanischen Sicherheitskräfte weiterhin verstärkt auszubilden. Doch hier sah Hans vor Ort noch enormen Entwicklungsbedarf. Der Sanitäter und Soldat aus Leidenschaft wünscht den Afghanen eine bessere Zukunft. Es sei dem Land zweifellos gegönnt. Doch die Vorzeichen und Strukturen sind – auch bei optimistischem Blick – alles andere als gut.

Rückfall und tödliche Revolten

Die jüngsten Ereignisse nach dem Gespräch mit Hans, die wiederholten Angriffe durch afghanisches Sicherheitspersonal auf ISAF-Kräfte und die tödlichen Revolten, die ausbrachen, nachdem bekannt wurde, dass religiöse Schriften von US-Soldaten verbrannt wurden, sind keine gute Nachrichten. Das Vertrauen in Polizei und Armee Afghanistans ist weiterhin gering bei den NATO-Staaten. Ein komplettes Auseinanderfallen des Landes, die Übernahme des Staates durch Islamisten und ein eskalierender Bürgerkrieg sind nach dem Abzug 2014 kein unrealistisches Szenario. Befürworter und Gegner des Einsatzes werden derzeit lediglich in einem Punkt höchstwahrscheinlich übereinstimmen: Dass kontroverse Thema Afghanistan wird noch auf unabsehbare Zeit seinen Platz in den Medien und Diskussionsrunden finden.

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