RUB: Internet-Video sorgt für Diskussionen

Regionale Medien berichten, auf Blogs wird diskutiert, bei Facebook kursiert das erste Video: Die Aktion linker Aktivisten in einer Jura-Vorlesung der Ruhr-Universität Bochum (RUB) am Montag beschert der Uni nun ungewollte Aufmerksamkeit. Das Rektorat verurteilt die Aktion, die Polizei ermittelt. Fest steht bisher nur: Die Studierenden sind verunsichert.

Einführungsvorlesung Bürgerliches Recht, wie jeden Montag an der RUB. Plötzlich betreten 15 bis 20 linke Aktivisten den Hörsaal, teils als Weihnachtsmänner verkleidet und maskiert. Sie wollen einen Erstsemester-Studenten als Rechtsextremen  „outen“. Als Professor Georg Borges die Gruppe auffordert, den Saal zu verlassen, eskaliert die Situation. Die Bilanz: fünf Verletzte, darunter auch der Jura-Prof.

Etwa 200 angehende Juristen saßen zum Zeitpunkt der Aktion im Hörsaal in der Bochumer Innenstadt. Darunter auch Erstsemester-Studentin Jana. „Es war eine ganz normale Vorlesung“, sagt sie, „dann hat’s auf einmal an der Tür geklopft. Die Männer kamen rein und haben mit einem großen roten Pfeil auf den Typen gezeigt.“ Zwei Aktivisten seien mit Teleskopschlägern bewaffnet gewesen, berichtet die Studentin. Der Protest der Linksaktivisten richtete sich gegen einen 23-jährigen Dortmunder, der der rechten Szene zugeordnet wird. Am selben Tag waren Plakate und Handzettel mit Foto und Namen des aktiven Mitglieds der Partei „Die Rechte“ auf dem Campus aufgetaucht.

Facebook-Video verursacht Kontroversen

Foto: Ruhr-Universität Bochum

RUB-Rektor Elmar Weiler verurteilt die Aktion. (Foto und Teaserbild: Ruhr-Universität Bochum)

Die Ruhr-Uni veröffentlichte eine Pressemitteilung, in der Rektor Elmar Weiler mitteilen lässt: „Aufs Schärfste verurteilt das Rektorat der RUB den tätlichen Angriff auf den Juristen Prof. Dr. Georg Borges am 2.12. und das gezielte Anprangern eines Jura-Studenten in der Vorlesung.“ Weiter lobte die Uni den Einsatz des Professors als „vorbildlich staatsbürgerliches Verhalten“.

Ein Handyvideo, das zurzeit auf Facebook kursiert, provoziert allerdings Diskussionen: Das Video zeigt, wie zuerst einer der Aktivisten geschubst und an den Armen geklammert wird. „Für mich sah es so aus, als ob der Professor gefilmt werden soll“, kommentiert Studentin Jana die Bilder. „Dann hat der Prof die Kamera runtergedrückt.“ RUB-Pressereferent Jens Wylkop kennt das Facebook-Video ebenfalls. Er ordnet ein: „Die Aufnahmen zeigen nur einen Ausschnitt der Situation. Professor Borges reagiert dort auf einen Schlag ins Gesicht, den er kurz zuvor bekommen hat.“


Rechtsextreme seien rechtlich nicht von der Uni auszuschließen. „Grundsätzlich hat jeder das Recht zu studieren, der die formalen Kriterien erfüllt“, sagt Wylkop. Die politische Gesinnung spiele dabei keine Rolle, sofern der Studierende in Lehrveranstaltungen keine radikalen Ansichten verbreitet oder sich gar strafbar macht.

Den Jura-Erstsemestern war ihr rechtsextremer Kommilitone bis zuletzt nicht aufgefallen, sagt die 21-jährige Jana. An den Tumulten im Hörsaal habe er sich außerdem nicht beteiligt. „Er saß zwei Reihen hinter mir“, berichtet Jana, „er ist die ganze Zeit sitzen geblieben.“ Auch der Asta der RUB reagierte auf die Vorfälle mit einer Stellungnahme. Darin heißt es, er verurteile den gewaltvollen Protest. Asta-Vorsitzender Tim Köhler ergänzte auf Nachfrage der pflichtlektüre: „Man muss sich darüber im Klaren sein: Wenn man maskiert einen Hörsaal betritt, dann zum einen, um seine Identität zu schützen. Aber der Verdacht, den das Rektorat geäußert hat, dass die Gewalt von der Gruppe ausging, ist da erst mal nachvollziehbar.“

Köhler sagte aber auch: „Ich bin der Gruppe durchaus dankbar, dass sie darauf aufmerksam gemacht hat, dass sich eine Neonazi-Größe aus Nordrhein-Westfalen unbemerkt bei uns tummeln konnte.“ Er kritisierte die Art und Weise der Bekanntmachung: „Eine bessere Möglichkeit wäre gewesen, an uns als Asta mit dieser Information heranzutreten. Wir hätten es so kommuniziert, dass sich die Studierenden selbst ein Bild hätten machen können.“ Köhler ist sich sicher, dass es in Zukunft Gespräche geben wird – nicht nur zur Aufarbeitung des Vorfalls. „Grundsätzlich muss man sich fragen, wie man mit dem Studenten aus der rechten Szene umgeht“, sagt er.

Fachschaft Jura hält sich bedeckt

Die Fachschaft Jura will sich dazu nicht äußern. Auf ihrer Internetseite teilt sie mit: „Wir sehen uns in einer Linie mit der Ansicht des Rektorats der RUB.“ Intern werde das Thema aber durchaus kontrovers diskutiert, so Jura-Studentin Jana. “ Bei Facebook geht es ziemlich ab. Da sagt die Mehrheit, dass die Motive der Aktivisten schon okay sind. Aber nicht die Gewalt“, sagt sie. „Es würde natürlich niemand Rechtsextremismus befürworten, aber man muss ihn ja nicht mit Linksextremismus beantworten.“ Den mutmaßlichen Rechtsextremen habe die Studentin dem Vorfall nicht mehr in der Uni gesehen. Die Aktion bleibt ihr aber in Erinnerung. „Wenn jetzt im Hörsaal die Tür aufgeht“, sagt Jana, „habe ich immer ein komisches Gefühl.“

5 Comments

  • Svenja sagt:

    Na, wenn die Pflichtlektüre die unter anderem bei Facebook veröffentlichte Presseerklärung der Aktivisten nicht recherchiert bekommt, helfe ich einfach mal nach:

    ———————————————————————————
    Richtigstellung zum Nazi-Outing an der RUB
    Video zeigt: Eskalation ging einseitig von Professor Borges aus

    Im Rahmen des Hörsaal-Outings des Dortmunder Neonazis Michael Brück am
    02.12.2013 kam es zu verschiedenen Pressedarstellungen, welche die
    Ereignisse in ein falsches Licht gerückt haben. So wurde unter anderem das
    Outing als geplanter Gewaltakt gegen eine Einzelperson dargestellt. Die
    Grundintention der Aktion hingegen war ein kreativer und friedlicher
    Protest, welcher die Studierenden auf die Präsenz eines bekannten Neonazis
    unter ihren Kommiliton_innen hinweisen sollte. Der gängigen Strategie von
    Neonazis, unerkannt zu agieren, wenn sie nicht in größerer Zahl auftreten,
    sollte damit entgegengewirkt werden. Entgegen der Pressedarstellung ging
    die Eskalation einseitig von Herrn Professor Borges aus.

    Direkt nach Betreten des Hörsaals wurde der Professor aggressiv und
    brüllte die beteiligten Personen an, den Raum zu verlassen. Nach kurzer
    Zeit begann er, Menschen, die einen Redebeitrag verlesen wollten, zu
    schubsen, um diese aus dem Raum zu drängen. Hierbei stieß er einer Person
    massiv gegen die Brust und schlug auf die mitgebrachte Kamera einer
    anderen Person ein. Daraufhin kam es zu einem Handgemenge. Im Zuge dessen
    unterstützte ein Teil der anwesenden Jura-Studierenden Professor Borges
    bei seinem Versuch, eine anwesende Person gewaltsam festzuhalten. Ein von
    Jura-Studenten selbst aufgenommenes Video belegt dies in Bild und Ton.
    Hier ist auch klar erkennbar, dass ein als Weihnachtsmann verkleideter
    Antifaschist mit Faustschlägen von einem Jura-Studenten angegriffen wird
    und nicht umgekehrt.

    „Den beteiligten Antifaschist_innen lag es fern, eine körperliche
    Auseinandersetzung zu suchen, was sich sowohl an den mitgebrachten
    Informationsmaterialien als auch der Wahl des Ortes eindeutig aufzeigen
    lässt. Die Kostüme waren bewusst phantasievoll gehalten, und sollte
    keinesfalls bedrohlich wirken. Ziel der Aktion war die kreative und
    friedliche Aufklärung über einen bekannten Neonazi-Kader. Die Eskalation
    und das daraus resultierende Handgemenge waren unvorhersehbar, einseitig
    und zutiefst bedauerlich. Wir weisen die Unterstellung einer geplanten
    gewalttätigen Aktion gegen die Person von Herrn Professor Borges
    entschieden zurück.“ kommentiert Antifaschistin Sarah Milsani.

    Univerwaltung vertuscht Naziproblem

    Das Outing des Neonazi-Kaders Michael Brück steht nun in der Kritik, nicht
    aber er selbst. Dabei ist bekannt, dass er nicht vor der konkreten
    Umsetzung gewalttätiger neonazistischer Praktiken zurückschreckt. Mit
    einem Mob von 400 Neonazis griff Michael Brück 2009 eine DGB-Demonstration
    an, wie auch der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung bekannt ist. Er ist
    kein Mitläufer, kein eingeschüchterter harmloser Student, sondern war
    einer der führenden Köpfe der für ihre Gewalt gegen Andersdenkende
    berüchtigten Kameradschaft „Nationaler Widerstand Dortmund“ (NWDO).
    Derzeit ist Brück aktueller Landesvizevorsitzender der
    Nachfolgeorganisation „Die Rechte“.

    Skandalös ist in diesem Zusammenhang auch das Verhalten der Ruhr
    Universität Bochum. Auf Anweisung des Rektorats wurden sämtliche Plakate
    vom Campus entfernt, die über die braunen Umtriebe des Jura-Studenten
    Brück informierten. „Ein privates Reinigungsunternehmen wurde beauftragt,
    über Nacht alle Hinweise auf das Naziproblem an der Uni zu beseitigen.
    Anstatt aufzuklären, setzt die Uni nun alles daran, ihr Naziproblem zu
    vertuschen.“ so Milsani. „Die Univerwaltung bildet einen aktiven und
    bekennenden Neonazi zum Juristen aus und erleichtert ihm damit, seine
    menschenverachtende Einstellung frei von strafrechtlichen Konsequenzen in
    die Gesellschaft zu tragen. Ein solcher Umgang mit Rechtsextremisten ist
    absolut untragbar und passt mitnichten zum angeblich weltoffenen Konzept
    der Ruhr Uni.“

    Des Weiteren besteht für Pressevertreter_innen die Möglichkeit, ein
    anonymisiertes Interview mit den Aktivist*innen zu führen. Bei Interesse
    antworten Sie einfach auf diese Mail.

  • Dirk sagt:

    Die Aussage, des RUB-Pressesprechers Jens Wylkop kann doch garnicht der Wahrheit entsprechen. Habt ihr euch das Video mal angesehen? Der Weihnachtsmann, auf den Professor Borges mit Gewalt losgeht, steht mindestens zehn Meter entfernt von dem Professor. Dann kommt der Professor auf ihn zugestürmt, schubst ihn, will ihm ins Gesicht schlagen und nimmt ihn in den Schwitzkasten. Wie soll ein Demonstrant, der zirka 10 Meter von dem Professor entfernt stand, ihm unmittelbar vorher ins Gesicht geschlagen haben? Wieso gebt ihr eine ganz offensichtlich unwahre Aussage so unkritisch wieder? Bitte korrigiert das doch. So sieht das (wahrscheinlich nicht nur) für mich nach schlechtem Journalismus aus.

  • Bastian Kaiser sagt:

    Hallo,

    vielen Dank für die Anmerkung. Unsere Redaktion hat sehr wohl zu den Motiven der Antifa recherchiert – auch in sozialen Netzwerken. Aus Antifa-Kreisen haben wir allerdings nur die Ankündigung erhalten, man werde die Anwesenheit des rechtsradikalen Studenten weiterhin nicht tolerieren.

    Viele Grüße
    Bastian

  • Journalismus? sagt:

    Die Pflichtlektüre wieder vorne mit dabei. Alle werden zu dem Vorfall befragt, jeder kann sich einmal ausheulen und als Opfer darstellen (Borges, der Nazi, irgendein Studi aus dem Hörsaal…). Nur für die Pressemitteilungen der Antifaschisten, die auch in Sozialen Netzwerken weitergegeben wurden, interessiert sich die Pflichtlektüre nicht und schreibt nichts davon in ihre Artikel. 1 a Recherche.

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