Eine ungewöhnliche Freundschaft

Lisa dreht den Kopf, schaut nach links. Dann lächelt sie. Jaqueline hat es doch pünktlich zum Hauptbahnhof geschafft. In zwei Stunden geht ihr Kinofilm los, vorher wollen sie noch etwas durch den Kortumpark gehen. Dabei haben sich die Studentin und die Hauptschülerin erst vor ein paar Monaten kennengelernt – durch die bundesweite Initiative Rock your life (RYL). Diese will Vorurteile gegenüber Hauptschülern abbauen und sie individuell in den Beruf coachen. Jeweils ein Schüler wird von einem Studenten begleitet.

Langsam schlendern Jaqueline und Lisa nebeneinander durch die Bochumer Innenstadt, fast wie zwei Schwestern auf einem gemeinsam Spaziergang. In Wirklichkeit sind die zwei aber eine der ersten Coachingpaare des RYL-Projekts in Bochum. „Die kamen damals in unsere Klasse“, sagt Jaqueline, die lieber Jacky genannt wird und bald mit der Hauptschule fertig ist. „Ich fand es gut, Hilfe zu bekommen, zum Beispiel bei Bewerbungen.“ Wenn sie an die erste Begegnung mit Lisa denkt, muss sie lachen. Denn bei RYL darf sich der Schüler „seinen“ Studenten aussuchen. Auch für Lisa war das eine neue Erfahrung:

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Im September 2013 haben neun Studenten den deutschlandweit agierenden Verein mit einem Standort nach Bochum gehholt. Kurz zuvor hatten sich die RYL-Standorte Dortmund und Duisburg-Essen gegründet. Das Konzept: Ein Hauptschüler, der rund zwei Jahre vor seinem Abschluss steht, wird von einem Studenten auf dem Weg von der Schule in den Beruf gecoacht. „Wir bauen Brücken zwischen Schülern, Studierenden und Unternehmen“, steht auf den orangenen RYL-Postern, die immer mal wieder auf den Campus der TU oder der RUB aushängen.

Vorurteile gegenüber Hauptschülern abbauen

Dass Lisa sich bei RYL engagiert, hat auch mit ihren eigenen Erfahrungen zu tun. „Meine Geschwister gehen zur Hauptschule, ich selbst war auf der Gesamtschule. Darüber wird ja oft schon herablassend geredet“, sagt Lisa. Hauptschülern würden von allen Seiten viel zu schnell abgestempelt. Auch Jacky kann die Vorurteile nicht nachvollziehen:

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Die beiden treffen sich unregelmäßig, immer dann, wenn beide Zeit und Lust haben. „Ich sag meinen Freunden immer, ich mach was mit ‚meiner Studentin'“, erzählt Jacky mit einem Lächeln. Dann machen sie Picknicks im Park, waren aber auch schon im Stadion des VfL Bochum.

Mentoren als Freunde und Ansprechpartner

Heute dauert es ein wenig, bis Jaqueline und Lisa ins Gespräch kommen. Lisa, die in Bochum Psychologie studiert, stellt viele Fragen. Aber auch Jacky hat Neuigkeiten: Seit kurzem hat sie einen Freund, der genau so gerne „chillt“ wie sie. Vor allem geht es aber um Jackys Zukunftspläne. Nach der Schule möchte sie in der Kinderpflege arbeiten. Ein Praktikum im Kindergarten hat sie sich schon selbst organisiert. Wie das genau nach dem Schulabschluss mit einer Ausbildung oder der Berufsschule klappen soll, weiß die Hauptschülerin noch nicht. Hier kommt Lisa ins Spiel – mit vielen guten Tipps für den Berufseinstieg:

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Der Spaziergang durch den Park hat Jacky ein bisschen erschöpft. Zum Glück ist an der Bushaltestelle noch ein Platz auf der Bank frei. Das Bayern München-Portemonnaie hat sie schon rausgeholt, gleich kommt der Bus, mit dem sie zum Kino fahren. Das Gespräch mit Lisa stimmt sie zuversichtlich. In Zukunft kann sie auf Lisas Unterstützung bei dem Bewerbungsschreiben für ihren Ausbildungsplatz und vielem mehr setzen. Aber jetzt wollen die zwei erstmal einen gemütlichen Abend zusammen verbringen. 

Fotos: Eva Mühle

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