Kommentar: Freie Rede für alle!

Soll Prostitution abgeschafft werden oder soll sie bleiben? Die Zeitschrift Emma hat die Debatte mit ihrem Appell gegen Prostitution angestoßen. Einer der Erstunterzeichner der Kampagne ist der Rektor der Universität Duisburg-Essen, Ulrich Radtke. Der AStA fordert jetzt in einer Pressemitteilung den Rückzug der Unterschrift. Unsere Frage: Dürfen Rektoren ihre Meinung öffentlich kundtun? Die Antwort: Ja, sie dürfen!

(Teaserfoto: Gabi Eder / pixelio.de)

Artikel 5 des Grundgesetzes sichert jedem deutschen Bürger das Recht auf Meinungsfreiheit. Somit darf jeder Meinungen, Wertungen und Überzeugungen – seien sie noch so umstritten –  öffentlich äußern. Also darf natürlich auch ein Rektor in der Öffentlichkeit seine Meinung vertreten – solange er klar stellt, dass es sich dabei um seine persönliche Auffassung handelt. Schließlich kann er nicht im Namen aller Studierenden sprechen. Eine einheitliche Meinung ist eine Utopie, schlichtweg nicht erreichbar – und auch nicht wünschenswert. Der AStA zum Beispiel hat eine völlig gegensätzliche Meinung zum Rektor: Der AStA bezeichnet das Vorhaben der Emma-Kampagne in einer Pressemitteilung als „Rückschritt in das frühe 20. Jahrhundert“ und fordert vom Rektor den Rückzug der Unterschrift.

UDE-Rektor Ulrich Radtke Foto: Universität Duisburg-Essen

UDE-Rektor Ulrich Radtke. Foto: Universität Duisburg-Essen

Radtke unterzeichnete privat

Allerdings hat Ulrich Radtke den Appell nicht als Rektor der Universität, sondern als Privatmann unterzeichnet. Darin fordern die Unterzeichner unter anderem die Ächtung von Freiern, mehr Aufklärung und die Abschaffung der Prostitution. In der Aufzählung der Unterzeichnernamen heißt es: „Prof. Dr. Ulrich Radtke, Geograph, Duisburg“. Für Außenstehende ist also nicht ersichtlich, welche Funktion Radtke innehat. Die UDE bleibt aus dem Spiel.

Niemand kann einer Privatperson den Mund verbieten – solange er mit seiner Meinung nicht gegen geltendes Recht verstößt oder andere Menschen unsachlich angreift. Beides tut Radkte mit seiner Unterschrift nicht. Man mag über den Inhalt der Petition streiten. Solange jeder die Diskussion aber sachlich gestaltet, hat er das Recht, laut zu sagen, was er denkt. Nur durch den Austausch von Argumenten können Lösungen gefunden werden. Das ist die Bedeutung einer Demokratie. Dass der AStA zur Diskussion aufruft, ist völlig okay – dem Rektor die Unterschrift nehmen zu wollen, nicht.

Politische Bildung als Hochschulziel

Radtke kann in gewisser Weise sogar Vorbild sein. Denn wozu ist eine Hochschule da? Zum einen bildet sie Studierende fachlich aus, klar. Zum anderen aber sollen junge Erwachsene hier reifen und sich finden. Dazu gehört auch der politische Diskurs. Wenn sich ein Rektor politisch äußert, fördert das mit hoher Wahrscheinlichkeit politische Gespräche. Radtke bringt die Debatte auf den Campus.

Außerdem macht eine Meinungsäußerung den Rektor für mich greifbarer, menschlicher. Normalerweise stehen Rektoren über den Dingen. Sie haben wenig direkten Kontakt zur Studierendenschaft, außer auf öffentlichen Terminen. Das ist kein böser Wille oder Desinteresse, sondern einfach dem vollen Terminkalender geschuldet. Vermutlich wissen die meisten Studierenden nicht viel über ihren Rektor. Er oder sie ist eben der Chef und hat wichtige Aufgaben. Aber einen direkten Bezug herstellen?  – Was hat denn der Rektor mit mir zu tun? Äußert sich jetzt aber ein Rektor, wird eine Verbindung zwischen ihm und den Studierenden aufgebaut. Er denkt über die gleichen Themen nach wie wir und der Rest der Welt auch.

Sympathie durch klare Meinungen

Politisches Engagement macht Rektoren sympathischer, denn es zeigt, dass sie auch nur Menschen sind. Der AStA kann Radtke zwar zur Diskussion auffordern, ihm aber nicht seine Meinung in Form der Unterschrift verbieten. Die freie Rede ist sein gutes Recht.

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