Verteilungskämpfe der Universitäten

Es war eine echte Premiere, als Bernhard Eitel am 12. Oktober in Berlin die „German U15“ vorstellte. Der Direktor der Universität Heidelberg ist nun auch Vorsitzender dieses neuen Universitätsverbandes. Es ist gewiss keine neue Idee, dass sich Hochschulen zusammenschließen. Dass so ein Verband aber ganz offen sagt, öffentliche Mittel in der Politik akquirieren zu wollen, gab es in dieser Deutlichkeit noch nie. „Am Ende brauchen wir mehr Geld“, stellte Eitel klar. „Wir“, damit meint er 15 große Universitäten aus ganz Deutschland. Von den Ruhrgebietsuniversitäten ist keine dabei – ein Nachteil im nationalen Verteilungskampf?

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Im Wettstreit um öffentliche Gelder wirken die drei Universitäten aus dem Ruhrgebiet in keinem der großen Hochschulverbände mit. Foto und Teaserfoto: Daniel Moßbrucker

Selbst für Kenner der deutschen Hochschullandschaft kam die Gründung des neuen Hochschulverbandes überraschend. „Ich habe davon vorab nichts gehört“, sagt Prof. Ursula Gather, Rektorin der TU Dortmund. Ähnliches Staunen herrscht in Bochum. „Wir sind von dieser Gründung überrascht worden“, bestätigt Josef König, Leiter der Pressestelle der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Wenn die „U15“ bald im Kampf um öffentliche Gelder in den Ring steigt, sitzen die Universitäten aus Dortmund, Bochum und Duisburg-Essen womöglich nur noch in der Zuschauerreihe.

Voraussetzung für eine Mitgliedschaft im neuen Verband war eine medizinische Fakultät samt Universitätsklinikum. Das schließt Dortmund per se aus, Bochum und Duisburg-Essen jedoch nicht. „Bei allen U15-Mitgliedern handelt es sich um konservative, große Universitäten mit medizinischer Fakultät und Universitätsklinikum. Gerade das letzte Kriterium würden wir wohl nicht erfüllen, da unser Klinikum in freier Trägerschaft ist und damit kein Universitätsklinikum im klassischen Sinne darstellt“, erläutert König. Die RUB strebe nicht an, bei der „U15“ Mitglied zu werden.


Gleichzeitig müssen die Bochumer zugeben, dass dieser neue Zusammenschluss durchaus zum Problem werden kann – gerade mit Blick auf das Universitätsklinikum. Bereits heute bekommen die großen Hochschul-Hospitale überproportional viele Drittmittelzuwendungen. Kliniken wie die in Bochum gelten hingegen als unterfinanziert. „Hier ist unser Nachteil im Vergleich zu den großen Kliniken unübersehbar“, so König.

Keiner will mehr allein bleiben

Den Trend, dass sich Hochschulen in Interessengemeinschaften zusammenfinden, gibt es in anderen Ländern schon länger. Das prominenteste Beispiel ist die Russel-Group, die die 24 forschungsstärksten Universitäten Großbritanniens vertritt. Diese Hochschulen vereinigen 80 Prozent aller Forschungsgelder auf sich. Am Ende dieser Entwicklung stehen Elite-Hochschulen auf der einen und chronisch unterfinazierte Universitäten auf der anderen Seite.

Entsprechend kritisch sieht Soziologieprofessor Michael Hartmann von der TU Darmstadt die Gründung der „German U15“. In einem Interview mit der linksgerichteten Zeitung „Junge Welt“ sagte der Elitenforscher von der TU Darmstadt: „Hier organisiert sich eine kleine Gruppe von besonders durchsetzungsfähigen Universitäten, um bei der Verteilung der knappen Hochschulmittel möglichst viel für sich herauszuholen.“ Die Hochschulen seien in puncto Größe, Reputation und Forschungsstärke bereits nationale Spitze.

Dass es in Deutschland nur wegen der „German U15“ bald britische Verhältnisse gibt, ist zwar unwahrscheinlich. Dennoch ist der Trend der Hochschulkooperation auch hierzulande unübersehbar.

Freundliche Absage an die TU Dortmund

Dortmunds Rektorin Ursula Gather könnte sich vorstellen, Mitglied der "TU9" zu werden. Foto: TU Dortmund

Dortmunds Rektorin Ursula Gather könnte sich vorstellen, Mitglied der "TU9" zu werden. Foto: TU Dortmund

Zu den einflussreichsten Verbänden gehört die „TU9 German Institutes of Technologie“. 2003 trafen sich erstmals die Rektoren neun großer, technisch orientierter Hochschulen, 2006 institutionalisierte sich dieser Zirkel mit der Gründung der „TU9“. Die Organisation setzt sich für internationale Kooperation von Hochschulnetzwerken ein, betreibt diverse Förderprojekte für Studenten und äußerst sich regelmäßig zur Hochschulpolitik – und findet damit Gehör. „Es freut uns natürlich, dass die TU9 einen so guten Ruf hat. Das erlaubt es uns, auch mal bei Missständen in der Hochschulpolitik auf den Tisch zu hauen“, erklärt „TU9“-Geschäftsführer Venio Quinque gegenüber der „pflichtlektüre“.

Hatte die TU Dortmund mit den Profilen der Hochschulen der „U15“ noch wenig gemein, ist das bei der „TU9“ anders. Als sich die „TU9“ 2006 gründete, war Dortmund allerdings noch gar keine TU. Die Umbenennung folgt erst ein Jahr später. „Die Universitäten der ‚TU9‘ haben aufgrund ihrer Struktur mit technischen und geisteswissenschaftlichen Fakultäten ein ähnliches Profil wie wir. Auch was die Forschungsstärke angeht, sind wir mit diesen Universitäten auf Augenhöhe. Wir könnten uns natürlich vorstellen, dort Mitglied zu sein“, sagt TU-Rektorin Gather. Venio Quinque äußert sich dazu verhalten: „Die TU Dortmund genießt einen sehr guten Ruf. Über potentielle Mitgliedschaften sollte man gleichwohl nicht spekulieren.“ Übersetzt man diese Aussage vom Diplomaten-Deutsch in Klartext heißt das:  „Nein danke, wir bleiben unter uns.“

Geschäftsführer Quinque betont aber, dass das Engagement seines Verbandes allen Hochschulen nutze. „Es geht weniger um ein Gegeneinander unter den Universitäten als um das Engagement für bessere Rahmenbedingungen, um den Universitäts-Auftrag zu erfüllen.“ Da ist gewiss etwas dran. Außerdem haben sich die Unis aus dem Ruhrgebiet in der Universitätsallianz Metropole Ruhr (UAMR) ebenfalls zusammengeschlossen und sprechen  häufig mit einer Stimme. „Auch wir machen ständig Arbeit im politischen Raum. Die Berliner Universitäten haben es nicht geschafft, sich zusammenzuschließen und beneiden uns darum“, meint Gather.

Und dennoch bleibt die Frage berechtigt: Wer gewinnt, wenn beim Bund drei mittelgroße Ruhr-Unis und daneben die Mitglieder der „German U15“, von denen übrigens 13 Exzellenzuniversitäten sind, um Gelder kämpfen?

Mehr Geld führt nicht automatisch zu besserer Lehre

Asta_Referent Daniel Lucas kritisiert die Methode, wie Forschungsgelder vergeben werden. Foto: Daniel Moßbrucker

Asta-Referent Daniel Lucas kritisiert die Methode, wie Forschungsgelder vergeben werden. Foto: Daniel Moßbrucker

Studentenvertreter kritisieren diese Lobbyarbeit. Ihren Erfahrungen nach verbessert ein Mehr an Geld nicht automatisch die Lehre. „Es ist typisch, dass diese Mittel ausschließlich in die Forschung fließen. Dann werden Professoren berufen, die überhaupt nicht mehr lehren müssen“, bemängelt Daniel Lucas, Asta-Referent für Hochschulpolitik an der Uni Duisburg-Essen. Ein Beispiel dafür sei etwa die Hochschule zu Köln, die im Rahmen der Exzellenzinitiative nun mehr Finanzmittel zur Verfügung habe. Die Lehrsituation habe sich indes nicht verbessert.

Die Kleinen kriegen die Krümel vom Kuchen

Lucas fordert, die Drittmittelvergabe stärker nach der Anzahl der Studenten auszurichten. „Das macht es den Lobbyisten zumindest schwieriger, in der Politik Gehör zu finden“, so Lucas. Dass es so kommt, ist aber schwer vorstellbar. Mit dem Hochschulpakt und den Qualitätsverbesserungsmitteln gibt es bereits zwei Förderelemente, die sich an der Studentenzahl orientieren.

So werden sich die Hochschulen schon jetzt für die Zeit nach 2017 in Stellung bringen. Dann läuft die Exzellenzinitiative aus und der Bund wird neu entscheiden, wer wie viel vom Finanzkuchen bekommt. Es gilt zu zeigen, wie gut die eigene Universität in der Forschung ist. Ob „TU9“, „U15“ oder „UAMR“, eines ist sicher: Wer sich als Hochschule heute nicht starke Partner an seine Seite holt, bekommt von diesem Kuchen nur noch die Krümel.

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