Hellseherische Fähigkeiten und etwas Glück

„Unter Spielern – Die Nationalmannschaft“: Für diese Fotoausstellung, die noch bis zum 28. September im Dortmunder U zu sehen ist, hat Fotografin Regina Schmeken die deutsche Nationalmannschaft bei vielen Spielen begleitet. Es sind Fotos entstanden, die sowohl die Vorfreude auf die Weltmeisterschaft steigern und gleichzeitig die hohe Kunst der schwarz-weiß Fotografie zeigen.

Fotografin Regina Schmeken steht hier in der Ausstellung vor zwei ihrer Werke. Foto: Stefanie Kleemann

Fotografin Regina Schmeken steht hier in der Ausstellung vor zwei ihrer Werke. Foto: Stefanie Kleemann

Frau Schmeken, Sie haben die deutsche Fußballnationalmannschaft für die Fotoausstellung über zwei Jahre lang begleitet. Wie ist es zu dieser Idee gekommen?

Oliver Bierhoff, der Teammanager der Nationalmannschaft, hat 2010 meine Ausstellung „No Sports“ in einer Münchner Galerie besucht. Dort zeigte ich neben großformatigen Fotoarbeiten vom Stabhochsprung der Frauen und vom Tanz auch Bilder vom Fußballspiel. Auf diesen sah man vor allem die Beine der Spieler in Bewegung und ich finde es besonders bemerkenswert, dass Herrn Bierhoff diese Bilder interessiert und inspiriert haben. Da ich zufällig vor Ort war, hat er mich dann einfach gefragt, ob ich mir vorstellen könnte seine Mannschaft zu beobachten.

Warum haben Sie sich dann dafür entschieden, sich mit der deutschen Nationalmannschaft über einen so langen Zeitraum zu beschäftigen? Ich habe gehört, Sie sind eigentlich kein Fußballfan.

Fußball interessiert mich nicht im klassischen Fan-Sinne, sondern als Möglichkeit der Begegnung auf dem Spielfeld. Mich interessieren die Begegnungen der Spieler mit dem Ball und die Choreographie, die sich daraus ergibt sowie die Kommunikation zwischen den spielenden Männern auf dem Platz.  In meinem Ausstellungs-Gästebuch gab es einen Eintrag: „Ich hab mit Fußball nicht viel am Hut, aber Hut ab vor diesen Bildern!“ Das ist ein großes Kompliment für mich, dass sich auch Leute für die Bilder begeistern, die keine Fußballfans sind. Andererseits haben sich auch echte Fußballfans von diesem anderen Blick auf den Fußballsport inspirieren lassen.

Wie kann man sich einen Länderspieltag der Nationalmannschaft als Fotografin vorstellen?

Es geht natürlich vor allem darum, dass man einen guten Platz bekommt. Es ist nicht möglich sich irgendwo hinzustellen, man bekommt Plätze zugewiesen.  Im Prinzip steht man immer unter Anspannung und fragt sich: Habe ich nun einen Standort ergattert, von dem aus ich möglichst viele Aspekte des Spiels beobachten kann?

Ihre Fotografien entstehen in Bruchteilen von Sekunden, wie ist da möglich den entscheidenden Moment festzuhalten?

Dies ist eins der insgesamt 46 schwarz-weiß Fotografien, die in der Ausstellung zu sehen sind.

Dieses Foto ist eins der insgesamt 46 schwarz-weiß Fotografien, die in der Ausstellung zu sehen sind. (Foto: Regina Schmeken)

 Das ist eine Mischung aus Glück und Intuition. Es gehört auch Übung dazu und hellseherische Fähigkeiten sind von Vorteil, wenn man besondere Momente erfassen möchte. Man könnte natürlich, um keine Szene zu verpassen, permanent auf den Auslöser drücken.  Aber das versuche ich zu vermeiden. In sechszehn Spielen habe ich insgesamt 9000 Aufnahmen gemacht. Das ist noch verhältnismäßig wenig wenn man sieht, wie viele Bilder von den Agenturen bei einer Begegnung aufgenommen werden.

Hatten Sie bei der deutschen Nationalmannschaft Lieblingsspieler, die Sie besonders gerne fotografiert haben und haben Sie in der Ausstellung ein Lieblingsbild?

Es gab jemanden, der mir viel ins Bild gelaufen ist: Thomas Müller. Er zeigt oft einen unglaublichen Körpereinsatz und hechtet manchmal fast wie ein Akrobat dem Ball hinterher. Es gibt dieses für die Ausstellung wichtige Motiv der Spielerbeine, die über dem ruhenden Ball schweben. Das ist ein geradezu tänzerischer Moment, den man bei einem scheinbar so rauen Sport nicht erwartet. Und diese Fotografie zeigt zum Beispiel die Beine von Thomas Müller. Ein einzelnes Lieblingsbild oder einen Lieblingsspieler habe ich allerdings nicht. Für mich ist das ganze Projekt mit der Summe aller Bilder, den in Buch und Ausstellung gezeigten Bewegungsabläufen, mein Lieblingsbild.

In der Ausstellung gibt es eine Aufnahme, auf der ein gesamter deutscher Fanblock zu sehen ist. In diesem Bild sind in jedem einzelnen Fangesicht so viele verschiedenen Emotionen abzulesen. 

Bei dieser Aufnahme hat der Betrachter wirklich den Eindruck, dass jeder Zuschauer ein anderes Spiel sieht. Man sieht Freude, man sieht Empörung und manche gucken verärgert, obwohl alle auf den Rängen genau den gleichen Moment verfolgen, ihn aber offensichtlich als sehr unterschiedlich empfinden oder erleben.

Sie fotografieren seit den siebziger Jahren in schwarz-weiß, was macht für Sie den besonderen Reiz dieser Bildern aus?

Die Urform der Fotografie ist schwarz-weiß. Wörtlich übersetzt bedeutet Fotografie so etwas wie Schreiben mit Hilfe des Lichtes. Bei der Fülle von Farbbildern, die es heute gibt, ist ein schwarz- weiß Bild eher in der Lage, den Blick anzuhalten, Farbe lenkt eher vom Wesentlichen ab. Natürlich habe ich auch schon in Farbe fotografiert und festgestellt, dass es nicht mein Ding ist. Die schwarz-weiß Fotografie erlaubt mir die sogenannte Wirklichkeit abstrakt darzustellen und zu verdichten, sie gibt mir mehr Möglichkeiten eines poetischen Ausdrucks als es die Farbfotografie leisten kann.

Marco Reuss macht nicht nur im BVB-Trikot eine gute Figur - auch in schwarz-weiß ist er ein Hingucker.

Marco Reuss macht nicht nur im BVB-Trikot eine gute Figur – auch in schwarz-weiß ist er ein Hingucker. (Foto: Regina Schmeken)

Wieso sind Sie Fotografin geworden sind?

Seit meinem 15. Lebensjahr war ich fasziniert von der Fotografie. Auf meiner Gesamtschule Gelsenkirchen hatte ich dann visuelle Kommunikation und bildende Kunst als Schwerpunktfach gewählt. Wir lernten dort auch die Grundlagen der Fotografie kennen. In meiner Abiturarbeit habe ich Zeichnung und Fotografie miteinander verglichen. Mit meinen damals 19 Jahren war mir trotzdem nicht klar, dass ich diesen Weg gehen würde und so habe ich zunächst mit einem Lehramtsstudium begonnen. Allerdings habe ich es nicht beendet, ich wollte fotografieren und bin deswegen ins Ausland gegangen. Unter anderem habe ich in Paris und New York gelebt. Mein Ideal war es nicht Fotografin im klassischen Sinne zu werden, sondern mit den Mitteln der Fotografie einen subjektiven Blick auf die Dinge zu entwickeln.

Was stehen in naher Zukunft noch für Projekte an?

Ich bin ein bisschen abergläubisch, deshalb kann ich von meinen geplanten Projekten noch nichts verraten. Ich werde im Juni nach Brasilien reisen, aber das Projekt mit der Nationalmannschaft ist für mich abgeschlossen. Trotzdem werde ich sicher bei WM-Fußballspielen fotografieren. In Brasilien gibt es im Moment  aber auch Unruhen und nicht nur die Weltmeisterschaft. Dieser Aspekt, dass sich Bevölkerungsgruppen von diesem Großereignis ausgeschlossen fühlen und rebellieren, gilt es genauso zu beleuchten.

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