Kampf der „Lost Generation“

Hoffnungslosigkeit, Zukunftsangst und drohende Arbeitslosigkeit machen den Jugendlichen in Spanien zu schaffen. Rund 54 Prozent der Jugendlichen sind arbeitslos. In Deutschland haben nur ungefähr sieben Prozent der Jugendlichen keine Arbeit. Besonders dramatisch ist die Lage in der spanischen Medienbranche. Trotzdem gibt es junge Studenten, die für ihren Beruf kämpfen.

Nuria Balaguer lernt im Radiostudio der Uni Pompeu.

Die Studenten lernen im Radiostudio der Uni Pompeu. Fotos: Ann-Kristin Herbst

Welchen Wert haben die eigenen Träume? Soll man jeden Traum leben, selbst wenn das vielleicht die eigene Arbeitslosigkeit bedeutet? Ganz sicher ist sich Nuria Balaguer noch nicht. Die 24- Jährige will Journalistin werden. Raus gehen, Interviews führen und schreiben, das ist ihr Traum seit sie zehn Jahre alt ist. „Ich will etwas machen, dass mich wirklich erfüllt“, sagt Nuria Balaguer. Während ihrer Schulzeit begann sie für eine Lokalzeitung in Galizien zu arbeiten. Danach kamen Praktika, Vertretungsstellen und freie Mitarbeiten. Ob das reicht, um nach ihrem Abschluss einen Job zu finden, weiß sie nicht. Zu groß ist die Konkurrenz. Der Beruf des Journalisten ist bei den Spaniern nach wie vor beliebt. Trotz Krise und Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt steigen die Zahlen der Studienanfänger im Journalismus weiter an. Im vergangenen Jahr gab es nach einer Studie der „Associacion de la Prensa de Madrid“ 2,5 Prozent mehr Journalistikstudenten. Dabei ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt schon jetzt prekär: Zwischen 2008 und 2013 stieg die Zahl der als arbeitslos gemeldeten Journalisten bereits um 213 Prozent.

Exzellente Ausbildung gegen Arbeitslosigkeit

Deshalb will Nuria Balaguer mit den besten Voraussetzungen in die Arbeitssuche starten. Dazu gehört für sie auch der Masterstudiengang an der Universidad Fabra Pompeu in Barcelona. 12000 Euro kostet der zweijährige Masterstudiengang. Dafür lockt die Fakultät mit einer exzellenten Ausstattung und einem hohen Praxisanteil. In kleinen Redaktionen lernen 80 Studenten pro Jahrgang für Radio, Fernsehen, Print und Online zu arbeiten. In dem Fernsehstudio der Universität produzieren die Studenten Sendungen und aus den drei Radiostudios senden sie live für das Campusradio. Im Print- und Onlinebereich kooperiert die Fakultät mit regionalen Medien. In den kleinen Redaktionen sollen die angehenden Journalisten einen möglichst realistischen

Professor Salvador Alsius ist besorgt um die Zukunft seiner Studenten.

Professor Salvador Alsius ist besorgt um die Zukunft seiner
Studenten.

Arbeitsalltag erfahren, beschreibt Dr. Salvador Alsius, Professor an der Fakultät, das Ausbildungskonzept während er im großen Redaktionsraum der Universität steht. Salvador Alsius ist stolz auf das Ausbildungskonzept. 2007 baute er gemeinsam mit seinen Kollegen die journalistische Fakultät auf. Ihr Ziel: eine Ausbildung schaffen, die auf den immer schneller werdenden Journalismus und das Zusammenwachsen der Medienformen vorbereitet. Doch dann kam die Krise dazwischen. „Der alte Journalismus ist dabei, nach und nach zu sterben“, sagt Alsius. Neue Perspektiven gibt es in Spanien kaum. Viele Absolventen des Masterstudiengangs werden trotz exzellenter Ausbildung nicht im Journalismus arbeiten. In der Marketing- und PR- Branche gibt es schon jetzt immer mehr Journalisten. „Schlecht ist das nicht“, sagt Alsius, „Informationen und Gerechtigkeit, das ist auch im Marketingbereich wichtig.“ Er klingt resigniert. So als sei er sich nicht mehr sicher, ob sein eigener Beruf noch eine Zukunft hat.

Ein begehrter Arbeitgeber für die Studenten der Universität ist der katalonische Regionalsender TV3. In ihrem letzten Uni-Jahr absolvieren dort viele Studenten ein viermonatiges Praktikum. Mit 2000 Angestellten ist TV3 einer der größten Arbeitgeber der Region und ein Urgestein des TV- Journalismus. Der öffentlich-rechtliche Sender orientiert sich am Modell der BBC. Das Programm soll informieren, bilden und unterhalten. „TV3 ist wie ein Symbol für die Katalonen, der Sender ist ein fester Bestandteil ihres täglichen Lebens“, sagt Eduard Boet. TV3 ist der einzige Sender, der komplett auf katalonisch sendet.

Es gibt kaum Chancen auf eine Anstellung

Eduard Boet ist Moderator bei TV3, er meint, dass junge Journalisten nur als Freie Chancen haben

Eduard Boet ist Moderator bei TV3, er meint, dass junge
Journalisten nur als Freie Chancen haben

Eduard Boet arbeitet seit dreißig Jahren als Journalist und Moderator für den Sender. Jetzt fängt er noch einmal ganz von vorn an. Er ist zuständig für die Multimedia-Abteilung von TV3. „Ich fühle mich wieder wie ein Schüler, der eine neue Welt entdeckt. Fernsehen ist viel flexibler geworden. Unsere Zuschauer sitzen nicht mehr jeden Abend im Wohnzimmer vor ihrem Fernseher, sie schauen unterwegs mit ihrem Tablet oder Smartphone“, sagt er. Ist der Wandel in den Medien die Chance für junge Journalisten im Beruf Fuß zu fassen? „Als junge Menschen, die mit dem Internet groß geworden sind, können die jungen Journalisten zwar helfen den Wandel voranzutreiben, aber einen Job werden sie trotzdem nicht finden. Besonders bei großen Unternehmen gibt es einen strikten Einstellungsstopp“, sagt Eduard Boet. Das Geld fehlt. Deshalb wird bei TV3 umstrukturiert. 2000 Arbeitsplätze sind zu viel für das schrumpfende Budget des katalonischen Senders. „Junge Journalisten haben die besten Chancen sich als Freie zu behaupten“, sagt Boet. Gute Kameras seien mittlerweile erschwinglich und liefern gute Bilder. Vor allem für ihre Nachrichten setzt TV3 freie Journalisten ein. „Natürlich ist das eine sehr unsichere Zukunft“, sagt Boet, „aber keiner kann sagen, wohin sich die Medienwelt entwickelt. Das Wichtigste, was ich jungen Journalisten raten kann, ist zu denken. Du musst die Innovation suchen und eine Nase für die Nachrichten entwickeln.“

Mit ungewöhnlichem Konzept der Krise trotzen

Journalistikstudenten an der Uni Pompeu kämpfen um ihre Zukunft.

Journalistikstudenten an der Uni Pompeu kämpfen um ihre Zukunft.

Dass zum Journalismus auch immer ein wenig Mut gehört, zeigt das Beispiel der Zeitung Ara. Mitten in der Krise wurde die katalanische Tageszeitung gegründet. Drei Jahre sind seither vergangen und Ara hat sich etabliert. „Alle haben gesagt, wir sind verrückt“, sagt Ignacio Araguay, stellvertretender Chefredakteur. Doch die Zahlen lassen die Skeptiker aufhorchen, mehr als 100000 Besucher, sogenannte Unique User, hat die Website der Zeitung täglich. Trotz zahlungspflichtiger Inhalte steigen die Nutzerzahlen jeden Monat weiter an. „Guter Journalismus kann etwas kosten, die Leute sind bereit dafür zu zahlen“, sagt Ignacio Araguay. Die Erwartungen der Leser sind dementsprechend hoch. Ara verspricht hintergründigen Journalismus, ihr Vorbild ist die englische Tageszeitung „The Guardian“. Sich ausschließlich am tagesaktuellen Geschehen zu orientieren, ist bei der Lokalzeitung verpönt. Morgens in der Redaktionskonferenz entscheidet sich das Ara-Team für ein Hauptthema mit dem es aufmacht. Die einzelnen Artikel in den jeweiligen Ressorts sollen das Tagesthema dann aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. „Unsere Artikel sollen eine klare Haltung zeigen“, sagt der stellvertretende Chefredakteur, „wir glauben, dass es wichtig ist, den Leuten einen Standpunkt zu vermitteln.“ Neue Ansätze sind dabei ausdrücklich erwünscht. Guter Journalismus, das bedeutet für Araguay vor allem Innovation und Veränderung. Deshalb stellt die Zeitung gezielt junge Uniabsolventen ein. „Sie haben einen ganz anderen, viel frischeren Blickwinkel auf den verstaubten Journalismus“, sagt er.

Zeitungen wie Ara, die auf junge Journalisten bauen, sind selten in Spanien. Trotzdem geben sie der Studentin Nuria Balaguer Hoffnung. Sie möchte ihren Traum vom Journalismus trotz aller Prognosen noch nicht begraben. „Ich gehöre zwar zur „Lost-Generation“, wie wir jungen Spanier uns nennen, aber aufgeben will ich einfach noch nicht. Ich muss optimistisch bleiben, sonst habe ich überhaupt keine Chance!“ Vielleicht ist es genau das, was der Journalismus braucht, um aus der Krise zu gelangen. Jede Menge Mut.

2 Comments

  • Hartz4Akademiker sagt:

    Ist in Deutschland doch auch nicht anders. Man bekommt vielleicht etwas leichter einen Job nach dem Studium, dank Befristung und dem gängigen Mobbing in Unternehmen kann man aber froh sein wenn man nicht nach ein paar Monaten wieder Bewerbungen schreiben und anschließend umziehen muss.

    Ich frage mich warum ich mir das Studium angetan habe. Mit einer Ausbildung verdient man zwar weniger, sitzt aber nicht konstant auf dem Schleudersitz.

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