Inflation schadet Studenten

Die Preise sind im Januar in Deutschland durchschnittlich um 1,7 Prozent gestiegen. Die Nachricht war vielen Medien nicht einmal eine Nachricht wert. Das war im vergangenen September noch ganz anders: Damals beschloss die Europäische Zentralbank, unbegrenzt Staatsanleihen aufkaufen zu können, um damit die Eurokrise in den Griff zu bekommen. Die Angst vor einer Inflation war besonders in deutschen Gesellschaft groß und beschäftigt bis heute Ökonomen. Wie würden sich aber steigende Preise auf Studenten auswirken? Die Antwort ist komplexer, als es auf den ersten Blick scheint.

Wim Kösters ist Professor am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung und ausgewiesener Inflationsexperte. Was die Europäische Zentralbank (EZB) im Spätsommer 2012 beschlossen hat, bezeichnet Kösters „als richtigen Schritt, der allerdings zu Problemen führen kann.“ Das Problem sah damals auch der deutsche Bundesbank-Präsident Jens Weidmann und stimmte im EZB-Rat als einziger von 17 Mitgliedern gegen die EZB-Pläne. Seine Befürchtung: Wenn die EZB Staatsanleihen aufkaufen kann, ist der Schritt zur direkten Staatsfinanzierung durch die Zentralbank nicht mehr weit. Dies könnte dazu führen, dass Staaten (zu) günstig Geld bekommen und sich die Geldmenge stärker vergrößert als die Geldmenge. Es käme zu einer Inflation.

Ob dieses Szenario tatsächlich eintritt, ist unter Wirtschaftsexperten umstritten. „Die Geldmenge der Zentralbanken ist nur noch ein Bruchteil der gesamten Geldmenge. Wenn die EZB mit ihrer Zentralbankgeldmenge und Niedrigzinspolitik nun eine expansive Geldpolitik betreibt, verhindert sie damit, dass die gesamte Geldmenge schrumpft und wir es mit einer Deflation zu tun bekommen“, meint etwa der Wirtschaftshistoriker Carl-Ludwig Holtfrerich von der FU Berlin. Deflation würde bedeuten, dass die Preise fallen. Auch Kösters sagt, dass die Geldmenge aktuell noch nicht steige. „Doch wenn die europäische Wirtschaft anspringt und die Unternehmen sich günstig Geld leihen können, muss die EZB die Zinsen anheben. Da habe ich meine Zweifel“, sagt der Essener Wirtschaftsexperte. Seine Prognose: In fünf bis sechs Jahren könnte es zu einer Inflation zwischen vier und sechs Prozent kommen. Das läge deutlich über dem Zwei-Prozent-Ziel, das sich die Europäische Union gesetzt hat. Bei einer Inflationsrate von bis zu zwei Prozent sprechen die europäischen Währungshüter von Preisstabilität.

Der Durchschnittsstudent lebt von 812 Euro monatlich

Unter einer spürbaren Inflation leiden vor allem Bezieher geringer Einkommen. Fällt der typische Studierende darunter? Der männlich Durchschnittsstudent ist laut dem Portal „go-jobware.de“ ein 1,81 Meter großer Nichtraucher, der an einer Fachhochschule Ingenieurwissenschaften studiert und pro Woche für neun Stunden á neun Euro in einem Nebenjob schuftet. Letzteres trifft übrigens auch auf sein weibliches Pendant zu. Wichtigste Einnahmequelle bleibt jedoch das Elternhaus und der Staat durch die BAföG-Förderung. Durchschnittlich hatten Studenten im Jahr 2009 insgesamt 812 Euro monatlich zur Verfügung. Jedoch schwankt dieser Wert stark: je ein Fünftel aller Studierenden hatte weniger als 600 Euro beziehungsweise mehr als 1000 Euro monatlich zur Verfügung – so steht’s in der aktuellen Sozialerhebung des Bundesbildungsministeriums.

Inflationsrate in Deutschland bis 2012
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Abgesehen von allen Schwankungen ist klar, dass ein reicher Student die Ausnahme bleibt. Stiegen die Preise im Zuge einer starken Inflation, verlöre der Durchschnittsstudent also ebenso stark an Kaufkraft. „Wenn sein Minijob-Gehalt und die BAföG-Bezüge im gleichen Maße stiegen wie die Preise, wäre alles kein Problem. Aber ein Minijobber ist gegenüber seinem Arbeitgeber in einer schlechten Verhandlungsposition, weil viele seine Arbeit machen können“, erläutert Kösters.

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Prof. Dr. Wim Kösters vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen glaubt nicht, dass Studenten von einer Inflation profitieren könnten. Foto: Daniel Moßbrucker

Auch in puncto BAföG dürfen sich Studenten in einer Inflation keine schnelle Anpassung erhoffen. Jede Form der Sozialpolitik ist schließlich Verteilungspolitik. Der Staat kann nur das verteilen, was er einnimmt. Eine Inflation hemmt allerdings die Wirtschaftsleistung einer Volkswirtschaft und mindert damit auch die Staatseinnahmen. Kösters: „Die beste Sozialpolitik ist es daher, eine Inflation zu vermeiden.“

Profiteure von einer Inflation sind in der Theorie hingegen Menschen, die Schulden haben. Die Modellrechnung ist einfach: Ebenso wie ein Vermögen verlieren auch Schulden an Wert. Bei Studenten sind das in der Regel BAföG-Schulden. Die maximale Darlehnssumme, die Studenten nach Ablauf ihres Studiums ans Bundesverwaltungsamt zurückzahlen müssen, sind 10.000 Euro. „In den 1920er Jahre gab es eine Hyperinflation, als die Geldentwertung pro Monat bei mehreren tausend Prozent lag. Da wären 10.000 Euro Schulden in wenigen Tagen nichts mehr wert. Aber dazu wird es jetzt nicht kommen“, glaubt Wim Kösters. Vielmehr wird der Kaufkraftverlust das Bisschen wegfressen, was die Inflation am Schuldenberg abknabbert.

Eine Inflation wird deutschen Studenten schaden. Das war jedoch nicht immer so, wie ein Blick in die Geschichte auf Seite zwei zeigt.

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