„Hakuna matata“ – keine Sorgen in Kenia

An der Uni hatte ich alle Prüfungen absolviert, die Masterarbeit abgegeben und sämtliche Dokumente für das Prüfungsamt den Lieben daheim überlassen. Die Voraussetzungen für eine sorgenfreie Zeit nach dem Stress waren bestens – wohin also in den drei Monaten, bevor das Referendariat beginnt?

Der König der Löwen weiß die Antwort: In Kenia lebt der Spruch „Hakuna matata“, der so viel wie „keine Sorgen“ bedeutet. Das Land ist also ein idealer Ort, um Entspannung mit Abenteuerlust und einem Praktikum als Deutschlehrerin zu verbinden.

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Willkommen in Kenia: Lehramtsstudentin Julia Kämpken absolvierte nach der Masterarbeit ein Praktikum in Afrika. Foto: privat

Mein Flugzeug landete in der Hauptstadt Nairobi und da war ich also, Mitte September, mitten in der Nacht, mitten in Kenia. Und die Pläne einer sorgenfreien Zeit waren auf einmal ganz weit weg: Würde ich abgeholt werden? Wieso funktioniert der Bankautomat nicht? Und wie soll ich das Gepäck allein schleppen? So, oder so ähnlich, lauteten meine Gedanken in der ersten Zeit.

Es war afrikanisch, anders und anstrengend. Dabei verkörpert Nairobi eigentlich alles, was ein normaler Ruhrgebietler jeden Tag gewohnt ist: Kioske, öffentlicher Personennahverkehr, Pommes, Stau, Bier, Lärm, viele Menschen, Hochhäuser. Trotzdem war das Alltagsleben zunächst eine Herausforderung.

Es gibt Busse, die nicht dahin fahren, wo sie sollten, Straßen auf der Karte, die es nicht gibt, Schülerinnen, die in meinem Unterricht nicht sprechen wollen, Gegenden, in die ich nicht gehen darf oder Verabredungen, die nicht verbindlich sind. Worauf konnte ich mich noch verlassen?

Loslassen um anzukommen

Es dauerte etwa zwei Wochen, bis ich die Lösung fand: Der Moment, als ich mich zum ersten Mal wohl fühlte in Kenia, war der, als ich begann die deutschen Konventionen los zu lassen. Die kenianische Grundregel lautet: keine Sorgen, „hakuna matata“.

Es gab immer einen freundlichen Kenianer, der mir weiter half, ich kam immer an mein Ziel, fand Freunde und ausgeraubt wurde ich auch nicht. Denn auch wenn Nairobi aussieht wie Europa, so ist es trotzdem noch die größte Stadt in Kenia.

Nairobi ist Konzentrat und Spiegelbild der kenianischen Gesellschaft: Hier vermischen sich wirtschaftliche Erfolge, etwa durch Blumenexport oder Tourismus, mit der Armut im größten Slum Ostafrikas. Auf engem Raum konzentrieren sich die Einflüsse  der 42 traditionellen Stämme, von Korruption und Akademikern – oft sogar in einer Person.

Afrikaner finden Angela Merkel schön

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Wie im Film: Kenias Landschaft ist atemberaubend. Davon konnte sich Julia bei ihren Ausflügen immer wieder überzeugen. Foto: stockxchng/ brunovb

Ein Beispiel: Ich unterhielt mich im Lehrerzimmer meiner Schule, der angesehene State House Secondary School for Girls, mit einem studierten Physiklehrer darüber, wie Vetternwirtschaft im Wasserministerium den trockenen Norden des Landes beutelt.

Zwei Minuten später erklärt er mir, der beste Ehemann sei der, der seine Frau nicht merken ließe, dass er sie betröge. Überhaupt und davon abgesehen seien Kenianerinnen zu hinterhältig, um jemals Staatsoberhaupt sein zu können. Die Deutschen hätten Angela Merkel nur wegen ihrer Schönheit gewählt.

Die Pausen zwischen meinen 15 Wochenstunden als Deutschlehrerin verbrachte ich nicht nur mit kostenlosem Schulessen, wie „mandazi“ (Krapfen) oder „githeri“ (Bohnen-Mais-Eintopf). Ich stillte auch den Wissensdurst meiner Kollegen über Weiße im Allgemeinen, Deutsche im Besonderen und unserem Liebesleben im ganz Speziellen. Auf diese Art und Weise lernte ich nebenbei, die Mischung aus Tradition und Moderne in den Köpfen der Menschen ein wenig besser zu verstehen und nicht sofort zu bewerten.

Die Entdeckung der Langsamkeit

In Kenia funktionieren viele Dinge viel langsamer, gelassener, weniger selbstverständlich und selbstständig als in Deutschland. Aus dieser Erkenntnis  folgten für mich zwei wichtige Schlüsse: Erstens, es funktioniert – meistens. Zweitens, Andersartigkeit hat ihre Berechtigung und der Vergleich mit Deutschland hinkt. Was chaotisch, kompliziert und ineffizient erscheint, hat eine eigene Logik und meist sogar eine bewundernswerte Kreativität – mach dir keine Sorgen, „hakuna matata“ –  das wird schon.

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Unterwegs mit dem Jeep. Wenn Julia nicht unterrichtete, dann nutzte sie die Zeit, um das Land zu entdecken. Foto: privat

Was macht es, wenn die Lehrerkonferenz erst anfängt, wenn der Kopiermann die Tagesordnung vervielfältigt hat? Schließlich wartet er auf die Sekretärin, die das Original druckt, aber erst, wenn sie eine Druckerpatrone hat. Die kann sie kaufen, wenn das Geld da ist.

Langsam, langsam – „swahili: pole, pole“ –  ist die zweite kenianische goldene Regel. Die Lehrer halten so lange eben ein Schwätzchen, natürlich nicht ohne einen schwarzen Tee, mit Milch und viel Zucker. So hat man Zeit, Zeit für Gespräche über Privates, Politik, Schüler und Unterricht. Zeit, die in deutschen Schulen oft nicht da ist.

„Deutsch als Fremdsprache“ kann nicht schaden

Drei Monate später, einer meiner letzten Tage mitten in Nairobi. Ganz entspannt genieße ich die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Ich will viel Licht und Energie gegen den kalten Winter mit nach Deutschland nehmen. Ich habe mein Praktikum erfolgreich beendet und bin froh, in Kenia gewesen zu sein.

Nicht nur, dass ich nun weiß, nach welcher Regel man Dativ und Akkusativ im Deutschen benutzt – ein bisschen „Deutsch als Fremdsprache“ kann schließlich nicht schaden. Auch wenn man, wie ich, ein Referendariat für die Fächer Englisch und Erdkunde beginnt. Ich habe auch die kenianischen Grundsätze „pole, pole“ und „hakuna matata“ schätzen gelernt. Ich werde sie im deutschen Alltag bestimmt gut gebrauchen können.

Von unserer Mitarbeiterin Julia Kämpken

1 Comment

  • Andreas S. sagt:

    Jetzt hast Du ja endlich Deinen langgehegten Traum, mal für paar Monate nach Afrika zu gehen, realisiert. Viel Erfolg fürs Referendariat

    Andi S.

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