Aus Sozialem Jahr mach Freundschaft

Maike und Azemina beim Spaziergang

Kartons stapeln, Regale einräumen oder Zeitungen austragen. Nebenjobs, mit denen Studenten sämtlicher Gattungen sich über Wasser halten. Nicht so Maike Notzon. Ihr Nebenjob ist etwas ganz anderes: Sie betreut ehrenamtlich ein behindertes Kind für den Familienunterstützenden Dienst Bielefeld.

Azemina Saljunovic ist schon ganz aufgeregt. Ungeduldig wartet sie auf Maike. Wild läuft sie durch das elterliche Haus in Avenwedde Bahnhof. Als sie Maike erblickt ist das Grinsen nicht mehr zurückzuhalten. Seitdem sie zwei Jahre alt ist leidet die 17-jährige an Epilepsie – die sich in unkontrollierbaren Körperkrämpfen äußert – und Autismus. Lange scheute sie neue soziale Kontakte aber seitdem sich Maike und Azemina im freiwilliges soziales jahr (FSJ) kennengelernt haben änderte sich einiges.

Maike steht schon an der Haustür: „Hallo Azemina! Na? Alles gut bei dir? Wollen wir jetzt zum Reiterhof fahren?“, fragt Maike und beugt sich zu der hageren Azemina hinunter. Die fängt fröhlich an zu quieken und ist schon auf dem Weg zu Maikes Auto. Ein gutes Zeichen, denn normal sprechen kann Azemina nicht. Auch immer dabei: Maikes Hündin Lola. Jetzt ist die Freude kaum noch zu halten. Während Maike die kleine Azemina anschnallt beschnüffelt Lola behutsam Azemina und stupst sie mit der feuchten Hundeschnauze leicht an. Schnell ist klar, wie eng die drei miteinander verbandelt sind.

Maike Notzon. Foto: Kai Steinecke

 

 

Es ist schön so wichtig für jemanden zu sein. Ich kann dafür gar kein richtiges Wort finden – fast wie Schwestern.

 

Am Reiterhof angekommen geht es schnurstracks zu den Pferden auf die Wiese. Für Maike eine große Freude, denn hier kann sie zwei Leidenschaften vereinen: Die Pferde und Azemina. „Wenn man sieht wie viel Spaß Azemina hier hat ist das einfach ein wahnsinniges Gefühl“, sagt Maike mit einem Lächeln während sich Azemina auf die Wiese neben ein Pferd plumpsen lässt. Drumherum rennt Hündin Lola – sie verschwindet immer wieder im kniehohen Graß und taucht aus einer anderen Ecke wieder auf.

Maike gesellt sich zu Azemina, die gerade schwer mit ihrem schwarzen Kuscheltierhund beschäftigt ist. Sie scheint ihm eine Geschichte zu erzählen. Nur mit einigen Lauten und Gesten ihrer Hände, die weder Maike noch ein anderer zu deuten können. Trotzdem wirkt sie nicht alleine oder verwirrt. Immer wieder huscht ein Lächeln über ihr Gesicht.

Foto Kai Steinecke

Azemina genießt die Zeit mit Maikes Pferd auf der Wiese. Foto: Kai Steinecke

 

Es gibt nichts schöneres als das hier. 

 

Nach der Sitzpause zwischen Grashalmen und Weidezäunen gehen die drei noch am Reiterhof spazieren. Maike wirft der Hündin immer einen Stock hin und Lola apportiert brav. Azemina läuft neben Maike her. Manchmal an der Hand, manchmal voraus. „Heute ist sie echt schnell unterwegs“, sagt Maike. Nach zwei bis drei Stunden ist die Freude der Müdigkeit gewichen. Langsam machen sich beide auf den Weg Richtung Auto. Nun bringt Maike Azemina  och dann ist auch schon wieder alles vorbei – für heute. Und Maike bringt Azemina wieder nach Hause. 

Ich habe das FSJ angefangen und auch nie bereut.

Fotoalbum

Erinnerungen aus Maikes Fotoalbum. Foto: Privat

Kennengelernt haben sich die beiden während des FSJ von Maike an der Michaelis-Schule in Gütersloh. „Das war 2010 und ich wusste nicht genau was ich nach dem Abitur machen sollte, deswegen habe ich das FSJ angefangen und auch nie bereut“, erinnert sich Maike. Die Schule für Menschen mit geistigen und körperlichen Einschränkungen war damals ein erster Berührungspunkt für Maike. In dieser Zeit blüht Azemina regelrecht auf und Maike hat direkt einen besonderen Draht zu ihr. Durch den Autismus bedingt beschäftigte sich Azeminas oft nur mit sich selbst – legte oftmals nur einen starren Blick an den Tag.

Auch Maike prägte diese Zeit nachhaltig. „Wir waren einmal auf einem Klassenausflug und ich hab mit Azemina auf einem Zimmer geschlafen. Nachts bin ich dann wach geworden und hab gemerkt, dass Azemina den ganzen Kleiderschrank ausgeräumt hatte. Alles lag im Zimmer verteilt“, sagt Maike und muss Grinsen bei dem Gedanken an die Nacht in der Jugendherberge. „Klar. Zuerst denkt man sich: Was ist denn hier los?! Aber am Ende war es doch echt witzig.“

Letztendlich zeigte sich Maike so begeistert, dass sie sich nach dem FSJ für das Studium „Sonderpädagogische Förderung“ an der TU Dortmund entschied. Ein Ortswechsel mit Folgen: Sie kann den Kontakt zu Azemina zwar halten aber trifft sich nur noch selten mit dem Menschen, der ihr so ans Herz gewachsen ist.

Es hat mir von Anfang an unglaublich viel Spaß gemacht mit Azemina Zeit zu verbringen.

In Dortmund powert sie zwei Semester durch und verschafft sich etwas Luft für die weiteren Semester. Sie zieht dann nach einem Jahr  wieder zurück nach Gütersloh und wird beim Familienunterstützenden Dienst Bielefeld eingestellt. Jetzt hat sie hat sie endliche wieder Zeit für Azemina und betreut sie zwei Mal à zwei Stunden in der Woche. Für Azemina sind die Ausflüge mit Maike eine schöne Abwechslung vom Alltag. Kaffeetrinken, Reiterhof, Tierpark. Erlaubt ist was Spaß macht.

Reich wird Maike durch die Betreuung von Azemina nicht aber das ist ihr auch nicht wichtig. In Azemina hat sie eine Freundin gefunden an deren Seite sie die Zeit genießt – nicht über Arbeitszeiten und Probleme nachdenkt. Einfach frei sein. Oft wird kommt Maike auch noch eine dritte Stunde zu Azemina und fährt mit ihr Schwimmen. Zeit, die sie eigentlich anders verbringen könnte und die viele Menschen eher mit unbehaglichen Situationen verbinden als mit Spaß. Für die Studentin ist und bleibt es aber der einzige Job, den sie sich vorstellen kann.

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Beitragsbild: Kai Steinecke

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Jedes Mal etwas besonderes: Der Bauernhof. Foto: Kai Steinecke

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