Ferienzeit ist Prüfungszeit

Im Sommer haben alle Studenten drei Monate frei, nichts zu tun und genießen ihre Freiheit. Ein altes, überholtes Bild. Wer der Bachelor- und Master-Revolution ins Gesicht sehen möchte, der begebe sich in diesen Tagen einfach auf den Campus der TU Dortmund. Von wegen Menschenleere: Zwischen den Bücherregalen der Uni-Bibliotheken, auf den Wiesen vor den Fakultäten und an kleinen Tischen in den Campus-Cafés halten, bewaffnet mit Laptop, Handy und Notizblock, Studenten Einzug, für die „vorlesungsfreie Zeit“ nichts anderes bedeutet als: Zeit für Hausarbeiten, Blockseminare, Prüfungen. Ein Spaziergang über den Campus.

Wenigstens die Sonne scheint: Jana und Daniela haben es sich mit den Lernunterlagen auf der Wiese zwischen TU und FH bequem gemacht. Bild: Alexander Greven

Wenigstens die Sonne scheint: Jana und Daniela haben es sich mit den Lernunterlagen auf der Wiese zwischen TU und FH Dortmund bequem gemacht. Foto: Alexander Greven

Das Wetter ist gut, es scheint die Sonne und der Himmel ist knallblau. Zeit für den See und für’s Freibad. Daniela und Jana haben sich auf die schnelle ein bisschen Picknick-Atmosphäre geschaffen und die Decke auf der Wiese vor der Dortmunder FH ausgebreitet, das muss reichen. „Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft“, beschreibt Daniela ihr Ferienprogramm. Sie studiert International Business an der Fachhochschule – und ist auch zur vorlesungsfreien Zeit voll im Geschäft. „Bald bin ich am Gardasee, dann kann ich das alles mal hinter mir lassen.“

„Urlaub ist nicht drin“

Susanne, Nina, Martin und Marie (v.l.) schreiben das Referat für 'Form und Nutzen von Lehrerkooperation'. "Gute Frage, was genau das ist." Bild: Alexander Greven

Susanne, Nina, Martin und Marie (v.l.) bereiten das Referat für "Form und Nutzen von Lehrerkooperation" vor. Foto: Alexander Greven

Den Gedanken an Urlaub haben Nina, Martin und Marie aufgegeben. Bis im Oktober das nächste Semester für Erziehungswissenschaften und Reha-Pädagogik beginnt, ist genug zu tun: „Zwei Klausuren im August, zwei im September, dann geht’s wieder richtig los“, fasst Martin die kommenden Wochen zusammen.

Gerade sitzen die drei mit Susanne am Referat zu „Form und Nutzen von Lehrerkooperation“ und erarbeiten erziehungswissenschaftliche Theorien und Ansätze für ihr Blockseminar in dieser Woche. „Dann warten auch noch so einige Hausarbeiten auf uns – Urlaub ist nicht drin“, sagt Marie. Lichtblicke: nicht in Sicht.

Windsurfing-Exkursion ist Motivation

Arbeit vor dem Vergnügen: Nicole und Simon fahren bald ans Meer, aber erstmal lernen sie für Sportwissenschaften in der Bibliothek. Bild: Alexander Greven

Nicole und Simon fahren bald ans Meer, aber erstmal lernen sie für Sport in der Bibliothek. Foto: Alexander Greven

Auf Simon und Nicole, Sportstudenten auf Lehramt, wartet ein Trip nach Prerow an der Ostsee. Die Windsurfing-Exkursion vom Dortmunder Sportinstitut ist ihre Motivation.

Sie soll sie in einigen Wochen entschädigen – für die berüchtigte Modulabschlussklausur, die im August ansteht, oder für das Blockseminar „Brückenschlag für Sport“ im September, das sie jetzt schon vorbereiten. „Wenn ich effektiv lernen will, komme ich immer auf den Campus“, sagt Nicole.

Mikroökonomik am runden Tisch

Bild: Alexander Greven

Michael und Arthur: Das Größte ist die Sekunde nach der Klausur. Foto: Alexander Greven

Für Arthur genügt schon „die Sekunde, in der ich den Prüfungsraum verlasse“. Er studiert an der TU Wirtschaftswissenschaften auf Lehramt, für’s Üben hat er mit Michael den großen runden Tisch im Café Sonnendeck schätzen gelernt.

Hier haben sie Laptops, Taschenrechner und Ordner ausgebreitet. „Am Freitag steht Mikroökonomik an, aber damit ist es noch lange nicht getan“, sagt Michael. Zwei Wochen in Frankreich werden ihn entschädigen, ist er sich sicher.

Doktorarbeit auf der grünen Wiese

Christoph Hohage und Claudia Streblow bevorzugen einen Mix. „Zu 50 Prozent entspannen wir uns hier und reden über private Dinge. Die anderen 50 Prozent dienen der Doktorarbeit“, sagt Christoph Hohage, Diplom-Soziologe der TU. Claudia Streblow ist Professorin für Sozialarbeitswissenschaft an der Dortmunder FH und betreut seine Doktorarbeit mit.

Darin geht es um „Lokale Integrationspolitik am Beispiel eines Moscheenkonfliktes“, der vor ein paar Jahren in Dortmund-Hörde stattfand. Auf der Wiese kann man wenigstens den sommerlichen Tag genießen, sind sich die beiden einig – trotz „Uni-Kram“. „Früher war das hier zur Sommerzeit wirklich ein einsamer und verlassener Ort“, sagt Christoph Hohage. Das habe sich mit der Einführung des Bachelor- und Mastersystems enorm verändert.

Er beobachte immer mehr Studenten, die in der vorlesungsfreien Zeit auf der Suche nach Steckdosen für ihre Laptops über den Campus irren – weil sie lernen müssen. „Mir kommt das hier mittlerweile vor wie ein wilder Bienenstock“, sagt er.

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