Wie blinde Dozenten Augen öffnen

Perspektivenwechsel: Sehbehinderte Studierende können Angebote, wie Computerpools in den Bibliotheken nicht nutzen. Auf welche Probleme stoßen sehgeschädigte Studierende im Uni-Alltag?

Das Dortmunder Zentrum Behinderung und Studium(DoBuS) ist an der Fakultät Rehabilitationswissenschaften angesiedelt und bietet unter anderem einen Arbeitsraum und Hilfsmittelpool. In diesem Zentrum nutzen etwa 20 Studierende den Arbeitsraum. Sehgeschädigte Studierende können dort an speziellen Computern arbeiten, die eine Braillezeile, eine Sprachausgabe und Vergrößerungssoftware haben. Wir haben einen sehr gut ausgestatteten Hilfsmittelpool, in dem Studierende Notebooks oder Tafelkameras ausleihen können. Auf Probleme stoßen sehgeschädigte Studierende besonders in den Seminaren selbst. Wenn Dozenten den Umsetzungsdienst nicht nutzen oder den behinderten Teilnehmern Präsentationen vorher nicht zur Verfügung stellen, können diese dem Unterricht nicht gut folgen.

Inwiefern unterscheidet sich die Seminargestaltung für blinde und sehbehinderte Studierende von herkömmlichen Seminaren?

Sehgeschädigte Studierende nehmen an den regulären Seminaren teil. Dort setze ich Medien ein, die ich auch sonst einsetzen würde. Ich versuche aber immer, meine Veranstaltungen barrierefrei zu machen. Das bedeutet: Ich gebe blinden und sehbehinderten Studierenden Texte im Vorfeld, so dass sie diese digital mitbringen können. Oft lasse ich auch Texte beim DoBuS umsetzen und stelle den sehgeschädigten Teilnehmern so die Texte in Großdruck oder Braille zur Verfügung, jeweils so wie sie sie haben möchten. Im DoBuS werden Studienmaterialien aller Fakultäten umgesetzt, auf Datenträger gespeichert oder in Audio-Dateien umgewandelt. Wichtig ist, dass ich den Seminarteilnehmenden zu Semesterbeginn signalisiere, dass ich bereit bin, besonderen Bedarf behinderter oder chronisch kranker Studierender zu berücksichtigen. Das macht es ihnen leichter, sich zu outen und Nachteilsausgleiche anzumelden.

Sie haben kürzlich in einem Seminar einen Selbstversuch für sehende Studenten durchgeführt. Die Seminarteilnehmer sollten mit verbundenen Augen den Weg in die Mensa finden. Wie sah das aus?

Die Teilnehmer haben eine Augenbinde und einen Blindenlangstock bekommen und sollten dann in Paaren den Weg zur Mensa gehen. Dabei mussten sie darauf achten, was ihnen bei der Orientierung hilft. Es gab also einen, der mit Augenbinde und Langstock ging, während der andere als Helfer dabei war.

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War es der erste Selbstversuch zum Thema Blindheit und Sehbehinderung, den Sie für Studierende organisiert haben?

Wir hatten im selben Seminar vor ein paar Wochen schon einen Selbstversuch, bei dem es einerseits darum ging, wie Helfer blinde Menschen führen und andererseits, wie man sich selbst am besten führen lässt.

Wie haben die Teilnehmer auf die Versuche reagiert?

Ich denke, dass das den Teilnehmern nicht nur viel Spaß gemacht hat, sondern auch bestimmte Erfahrungen mit auf den Weg gibt. Es macht zwar einen großen Unterschied, ob man sich für zehn Minuten die Augen verbindet oder bereits länger gelernt hat, andere Sinne als das Sehen einzusetzen. Dennoch bekommen die Studierenden durch die Übung einen Eindruck von den Wahrnehmungsbedingungen sehgeschädigter Menschen.

Welchen Nutzen ziehen die Studierenden aus einer solchen Erfahrung?

Das Ziel war, den Studierenden zu zeigen, dass Raum anders wahrgenommen wird und räumliche Orientierung anders funktioniert, wenn man nicht sieht, als wenn man den Überblick über ein großes Blickfeld hat. Das ist insbesondere für Lehramtsstudenten wichtig, damit sie später ihre Schüler und deren Handeln verstehen können.

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