Gefangen in Bildern

cover_discover_neu„Bilder sind nicht frei. Was wollen wir sehen? Was sehen wir?“ Damit leitet die Diplom-Designerin Seren Basogul ihre Arbeit Cover/Discover ein. Darin hat sie Frauen mit wechselnder Kopfbedeckung fotografiert, vor allem mit Kopftuch. Bilder, die wiederum Bilder auslösen.

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Eine Frau – aber verschiedene Wirkungen. Bis Freitag, 5.6. ist die Ausstellung noch an der TU. Foto und Teaserbild: Kai Brands

Geradeaus und so ausdrucklos wie möglich starren die Frauen durch die gläserne Fassade des Rudolf-Chaudoire-Pavilion. Sie sind gefangen. Aber keine Angst. Sie sind nur eingefangen auf Fotografien. Zum einen. Zum anderen gefangenen in bestimmten Stereotypen, bestimmten Rollen. Hier am Südcampus der TU Dortmund zeigt das Gleichstellungsbüro der TU eine Ausstellung von Seren Basogul, ihre Diplom-Arbeit Cover/Discover. Ein passender Titel. Aneinander gereiht werden Fotos gezeigt, auf denen die jeweiligen Frauen zunehmend bedeckter sind. Man sieht von der Schulter aufwärts nur ihre Gesichter. Sie tragen auf jedem Foto das selbe schlichte T-Shirt. Sie versuchen den gleichen Gesichtsausdruck zu miemen. Lediglich die Kopfbedeckung ändert sich.

Von einer Schleife im Haar bis zu einem muslimischen Kopftuch. So werden die gezeigten Frauen auf den Bildern mit Kopfbedeckungen bedeckt, Betrachter aber entdecken etwas. Sie versuchen, die Frauen zuzuordnen, sie „in Schubladen zu stecken“, wie Basogul sagt. Und diese In-Schubladen-Steckerei ist normal. Jeder macht das. Aber das „Wie“ ist dabei entscheidend. Komisch sei es teilweise schon, findet Basogul. Sie ist selber gläubige Muslimin und dementsprechend trägt sie ein Kopftuch.

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Das hat sie aber nicht immer schon getragen. Sie sieht eigentlich nicht „typisch türkisch“ aus, wie sie sagt. Und als sie kein Kopftuch getragen hat, sei sie auch nicht so oft auf ihren Glauben angesprochen worden. Erst mit Beginn ihres Studiums fing sie an, ihren Kopf zu bedecken. Und da wurde sie plötzlich anders behandelt. Die aus Aachen stammende Designerin ist zum Beispiel einmal an einer Bushaltestelle gefragt worden, ob sie verheiratet sei. Wegen des Kopftuchs, vermutet sie. „Das macht man doch nicht! Ich gehe doch auch nicht einfach zu irgendwelchen wildfremden Leute und frage so etwas Persönliches.“ Aber so etwas sei eher die Ausnahme. Eine klare Benachteiligung hat sie allerdings gespürt, als es für sie in eine Bewerbungsphase ging. „Es gab viele Ablehnungen. Teilweise sogar ohne jegliche Begründung. Auf dem Bewerbungsfoto habe ich natürlich ein Kopftuch getragen. Da kann man, finde ich, schon von Rassismus sprechen.“

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Die Designerin persönlich und mit Kopftuch: Seren Basogul. Foto: Seren Basogul

Cover/Discover 

Diesen plötzlichen Umschwung, wenn auch nicht unbedingt in der Form von Rassismus, zeigt auch Cover/Discover. Die Betrachter sehen erst eine Frau, „europäisch“ aussehend, um in Schubladen-Sprache zu bleiben. Dann mit einem Kopftuch á la Grace Kelly. Und später immer verschleierter, „muslimisch“ aussehend. Und da ist es wieder geschehen. Wir neigen dazu zu kategorisieren. Was Basogul stört: Das Kopftuch ist oft negativ besetzt. Eine Frau äußerte ihr gegenüber einmal: „Da! Auf dem Bild sieht sie so aus, als sei sie zum Kopftuchtragen gezwungen worden.“ Gewundert hat Basogul sich da. Woran machte diese Frau das aus? Woher will sie das wissen? Mit den Fotos möchte sie Oberflächlichkeit aufdecken, beseitigen kann sie sie nicht. „Ich möchte den Betrachter dazu bringen, über seine Denkmuster nachzudenken. Und ich helfe ihm dabei, indem ich eine Variable verändere und alles andere gleichbleibt. Dadurch, dass sich die Wahrnehmung ändert, ändert sich die Interpretation. Wir machen an Äußerlichkeiten aus, was wir von anderen Menschen denken und vor allem auch denken wollen.“

„Streng genommen kein Unterschied zwischen Hipster und muslimischem Mann“

Was Cover/Discover mit der Variable „Kopfbedeckung“ macht, könnte man laut Basogul auch mit einer anderenVariabel machen, z.B. dem Bart. „Den Berliner Hipster mit einem Vollbart könnte man demnach streng genommen auch nicht von einem muslimischen Mann unterscheiden.“ Und doch macht man es. Denn sobald andere Äußerlichkeiten mit ins Auge fallen, wird wieder kategorisiert, bleibt die Person wieder gefangen in einer bestimmten Vorstellung des Betrachters.

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Beim Fotoshooting sagte Sarah: „Krass. Jetzt sehe ich ja aus wie du, Seren!“ Foto: Kai Brands

Genauso wie die Frauen auf den Fotos in Cover/Discover mit ihren Kopfbedeckungen. Sie sind Freundinnen und ehemalige Kommilitoninnen von Basogul. Die stärkste Wirkung hat, und da sind sich Künstlerin und Anwesende der Ausstellung einig, Sarah. Sarah hat sehr helle Haut und rot-blonde Haare. Und so starrt auch Sarah zusammen mit den anderen Frauen aus dem gläsernen Haus. Mal mit Kopftuch. Mal ohne. Aber immer wieder gefangen in einer Rolle, die ihr vom Betrachter zugeschrieben wird.

1 Comment

  • ute.zimmermann@tu-dortmund.de sagt:

    DANKE für diesen wirklich gut recherchierten und intelligenten Artikel – hier merkt man doch das hohe journalistische und intellektuelle Niveau!
    Alle, die die Ausstellung nicht gesehen haben, können jammern, denn sie ist wirklich ausgezeichnet!

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