Das Sanatorium des Auskotzens

Der Wutbürger lebt in jedem von uns, nur geben wir es nicht gerne zu. Regisseur Rolf Dennemann macht in seinem „Vorhofflattern“ aber genau diesen Teil von uns zum Thema und beschreibt eine Welt aus zusammenhangloser Wut und verdrängten echten Problemen. Das Theaterstück aus Beschimpfungen, Wortkaskaden und Übertreibungen  feierte am vergangenen Freitag im Depot seine Premiere.

Wutanfall Vorhofflattern

Kleinigkeiten führen zum Wutanfall. Teaserfoto / Fotos: RDman.

Die Alltagswut, die alles andere in den Schatten stellt und jegliche Auseinandersetzung mit dem Wesentlichen im Keim erstickt – damit setzt sich der Autor und Regisseur Dennemann in seinem neuen Bühnenstück „Vorhofflattern“ auseinander. Auf der Bühne folgen Wutausbrüche auf Streitereien. Beschimpfungen weichen Ausrastern. Die fünf Darsteller machen ihrer Wut Luft, stellen nervige Alltagssituationen dar, die viele von uns an sich selbst erinnern. Das Nichtverschließen einer Zahnpastatube, das zu einer handfesten Ehekrise führt, kleine Nachbarschaftsstreitereien, Nörgeleien rund um die Themen Essen und Gesundheit oder das Jammern über das Wetter.

die schweigende Tänzerin

Die schweigende Tänzerin.

Die schweigende Tänzerin

Doch während vier motzen, hält eine die Klappe: Eine der fünf Darstellerinen beteiligt sich nicht an den Streiteren, ist still und tanzt. Sie bringt den Ausbruch der Gefühle, den Schmerz und Zorn, die Lust und die Leidenschaft mit ihrem Körper zum Ausdruck – all das Ungesagte, was irgendwo tief im Menschen schlummert.

Bei dem Gesprochenen lässt Dennemann wiederum nicht umsonst die wichtigen Themen weg. Er weist damit auf den Fehler hin: Die Menschen sind so oft wütend über Kleinigkeiten, das Wesentliche wird ignoriert und damit aus dem Alltag komplett verbannt. Es ist eine Kritik an der Gesellschaft, die lieber wütend über Belanglosigkeiten ist, als sich mit den wesentlichen Themen auseinanderzusetzen.

Ein Tisch als „Sanatorium des Auskotzens“

Das Bühenbild vervollständigt Dennemanns Idee: Ein langer schwarzer Tisch steht im Fokus des Theaterstücks. An ihm erst entstehen die Streitereien. Er ist das „Sanatorium des Auskotzens“, so nennt ihn der Regisseur selbst. Es wird auf oder unter ihm gesessen und gelegen. Er dient als Laufsteg, Verhandlungsort oder als Grab. Hier entstehen die Stammtischdebatten. Das Szenario für sie entnahm Dennemann bestimmten Textstellen aus Internetforen, Einträgen auf Facebook – also dort, wo die besagten Stammtischebatten so oft entstehen.

Manuela Stuesser und Karin Moog

Die Menschen zeigen sich am Ende doch einsichtig.

Kleine Gesten der Zuneigung am Ende

“Vorhofflattern“ erzählt keine zusammenhängende Geschichte. Vielmehr stehen die einzelnen, alltäglichen Aufreger im Fokus. Eine Entwicklung gibt es allerdings schon: Die Nörgler sind  am Ende fähig, kleine Gesten der Zuneigung wie das Überreichen eines Geschenks oder das Verständniszeigen für eine alte Marotte zuzulassen. Einsichtig ist der Mensch also – und laut Dennemann fähig, aus seinen Fehlern zu lernen.

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