Physiker Harald Lesch rät: Kein Sex mit Aliens

2009 ist das Jahr der Astronomie – aber warum für Dinge interessieren, die Millionen Lichtjahre weit weg sind? Diese Frage hat die Pflichtlektüre-Reporterin Barbara Wolfart dem Wissenschaftsjournalisten und Physiker Harald Lesch gestellt. Er moderiert im ZDF die Sendung „Abenteuer Forschung“ und ist Professor für Physik und Philosophie in München. Zu Gast an der TU Dortmund hat er auch erklärt, warum Aliens meist schlecht gelaunt sind und was die Finanzkrise mit Astronomie zu tun hat.

Harald Lesch auf dem Campus der TU Dortmund. Foto: Franziska Weigt

Harald Lesch auf dem Campus der TU Dortmund. Foto: Franziska Weigt

pflichtlektüre online: Herr Lesch, haben Sie als Astronomie-Experte einen Tipp für uns, falls wir an unserer Hochschule zufällig ein paar Aliens treffen sollten?

Lesch: Wenn man Außerirdische trifft, sollte man sehr vorsichtig sein. Die sind meistens schlecht gelaunt. Im Universum ist nichts los, immer sieht man die gleichen Gesichter, das hängt einem irgendwann zum Hals heraus. Wenn die Außerirdischen mit hoher Geschwindigkeit zu uns geflogen sind, dann steht fest: Die haben keine Heimat mehr. Denn zu Hause bei ihnen auf dem Planeten sind vielleicht ein paar tausend Jahre vergangen, da kennt sie keiner mehr. Die haben keine Freunde mehr, sie können also vor niemandem mit ihren Erlebnisse angeben, der sie noch kennt. Deswegen sollte man vorsichtig sein, Außerirdische nicht ansprechen, freundlich sein. Aber auf keinen Fall irgendwie was von denen annehmen und, unter uns gesagt, auf gar keinen Fall Sex mit Außerirdischen!

pflichtlektüre online: Das wird nicht schwer, die sind doch meistens eher blassgrün…

Lesch: Die grüne Farbe erklärt sich relativ leicht. Viele der Raumschiffe von Außerirdischen sind ja drehende Scheiben. Und weil die sich gleich ein paar Jahre gedreht haben, wissen wir doch vom Kettenkarussel ganz genau, was denen passiert ist.

pflichtlektüre online: Was hat das Universum mit uns Studenten zu tun?

Lesch: Es ist der Raum, in dem sich alles entwickelt hat. Als Teil der Naturgeschichte, so lautet die These, versucht der Mensch bei der Betrachtung des Universums herauszufinden, wo er herkommt. Astronomie ist darum Ahnenforschung auf höchstem Niveau. Der tiefste Blick der Forscher ist der Blick ins Universum. Wir sind aus Materie gemacht, die im Universum erzeugt worden ist, verdanken ihm also unsere Naturgesetze und damit unsere Existenz. Unser Sonnensystem ist seit 4,56 Milliarden Jahren sehr stabil, es fliegt nicht auseinander, wir haben auch keine großen Crashs erlebt…

pflichtlektüre online: Zum Glück! Trotzdem ist mir das alles zu weit weg… Warum sollte ichmich mit Astronomie beschäftigen?

Harald Lesch im Gespräch mit dem Vortragspublikum. Foto: Franziska Weigt

Harald Lesch im Gespräch mit dem Vortragspublikum. Foto: Franziska Weigt

Lesch: Wenn es uns Menschen gelingt, die Naturgesetze, die wir von der Erde kennen, erfolgreich auf das Universum zu übertragen, dann ist das ein wichtiger Baustein für ein rationales Weltbild. Das Allerkleinste, die Struktur der Materie, hängt zusammen mit dem Allergrößten, dem Universum. Und die Vorstellung, dass diese Naturgesetze, denen das Allerkleinste folgt, auch den Anfang des Universums bestimmt haben – die finde ich einfach grandios! Insofern ist die astronomische Überprüfung der Naturgesetze, die wir auf der Erde kennen, gewissermaßen ein unbestechlicher Gerichtshof des Lebens. Was da oben stimmt, stimmt hier garantiert auch. So können wir uns tatsächlich ein Bild der Natur machen. Wir sind zwar weit weg von wirklicher Vollständigkeit, aber auf einem guten Weg dahin.

plichtlektüre online: Und was wäre, wenn die Naturgesetze da draußen im All nicht gelten würden?

Lesch: Schwer zu sagen. Wir würden aber spüren, dass unsere Interpretationsversuche, zum Beispiel von Licht, nicht stimmen. Oder dass es noch andere Atomsorten geben könnte, als die, die wir schon aus dem Periodensystem der Elemente kennen. Jetzt wissen wir: Ins Periodensystem passt kein Element mehr dazu! Also insofern wäre eine Veränderung der Naturgesetze in Abhängigkeit von großer Entfernung eine echte Herausforderung für die Physik. Das würde nämlich bedeuten, wir müssten unsere Vorstellungen von Naturgesetzen an sich ändernde Naturgesetze anpassen, das heißt aus unseren ewig gültigen Gesetzen solche machen, die sich mit der Zeit wandeln. Das wäre ein unglaublicher Sprung in der Physik.

pflichtlektüre online: Vom All zurück auf die Erde… Ahnenforschung im Universum ist ja gut und schön, aber wir haben es jetzt gerade mit einer Finanzkrise zu tun.

Lesch: Was bemerkenswert ist: Die Zahlen, die im Rahmen der Finanzkrise genannt werden, werden immer größer. Das heißt, dass die Krise breite Kreise der Bevölkerung immer näher an die Astronomie heranführt, denn die Astronomie ist die Wissenschaft von den ganz großen Zahlen. Früher hörte ich Sätze wie: „Eine Billion, Herr Lesch, da kann ich mir überhaupt nichts darunter vorstellen“. Heutzutage wissen wir alle, was das ist. Nämlich das, was die Finanzwelt inzwischen ständig als Injektion braucht. Die Finanzkrise führt die Menschen also an den Himmel und die Astronomie heran.

Text: Barbara Wolfart
Fotos: Franziska Weigt

Harald Lesch im O-Ton:

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