Nach der Uni zum Sex mit dem Freier

Martina

Martina will unerkannt bleiben, weil ihre Familie nicht weiß, dass sie Sex für Geld anbietet. Foto: stock.xchn

pflichtlektüre online: Ist es nicht auch eine seelische Belastung, eine Art Doppelleben zu führen? Wer weiß denn in deinem Bekannten- und Verwandtenkreis davon, dass du als Prostituierte arbeitest?

Martina: Ehrlich gesagt keiner. Und das ist auch gut so. Ich würde nur auf Unverständnis, Mitleid, Empörung und Sprachlosigkeit stoßen. Dabei denke ich mir immer: Die haben doch alle keine Ahnung. Ich habe im Laufe meiner Zeit als Hobbyhure sehr wichtige Erfahrungen gesammelt und viele Erkenntnisse daraus gewonnen. Es ist eine große Sozialstudie so zu sagen. Ich denke, dass ich vieles von dem Erlebten im übertragenen Sinne später auch für mein berufliches und privates Leben brauchen kann. Wenn ich von Erfahrungen spreche, dann meine ich das nicht nur in sexueller Hinsicht, vielmehr im soziologischen, zwischenmenschlichen Sinne. Bei so ’nem Job betreibt man automatisch immer auch ein Stück weit Hobbypsychologie und könnte mit den erlebten Geschichten ganze Bücher füllen.

pflichtlektüre online: Denkst du nicht trotzdem manchmal darüber nach, mit der Prostitution aufzuhören?

Martina: Aufhören könnte ich schon. Ob ich das jedoch möchte, steht auf einem anderen Blatt. Aber es ist mir sehr wichtig, parallel meiner ganz normalen Studenten-Nebentätigkeit nachzugehen, um nicht den Bezug zur Realität zu verlieren – was manchmal sehr schwierig ist. Denn wenn man in 60 Minuten 150 Euro in cash verdient und dann anschließend in seinen Studentenjob geht und für 60 Minuten gerade mal acht Euro bekommt, dann stellt man letzteren schnell in Frage. Das ist das Gefährliche daran.

Noch gefährlicher finde ich jedoch die Tatsache, wie sehr sich Geld für mich relativiert hat. Bei Preisschildern von 150 Euro beispielsweise, bei denen ich mir früher dreimal überlegt habe, ob ich mir das kaufen soll beziehungsweise leisten kann, ertappe ich mich heute immer wieder dabei, wie ich denke: „Was soll’s, das ist ein Kundentermin, dann ist die Jacke abbezahlt.“ Dieser Realitätsverlust ist nicht gut. Das weiß ich selbst. Deshalb bin ich froh, wenn mich mein anderer Nebenjob immer wieder mal auf den Boden zurück holt, auch wenn es weh tut, für acht Euro die Stunde zu arbeiten.

pflichtlektüre online: Wie siehst du deine Zukunft? Was geschieht nach dem Abschluss?

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"Das Loch, in das man früher oder später einmal fällt, das kommt." Foto: stock.xchn

Martina: Tja, das frage ich mich selbst auch. Ich bin nun im letzten Semester und mache in Kürze meinen Abschluss. Ganz ehrlich? Das wird schwierig werden, weil mir das Ganze ja auch wirklich Spaß macht, neben dem netten Zusatzeinkommen. Ich bezweifle, dass ich direkt danach sofort damit aufhören werde. Ich denke, einen endgültigen Schlussstrich werde ich erst dann darunter ziehen, wenn ich privat mein Liebesglück gefunden und einen festen Freund habe. Denn dann kann und will ich mir ein solches Doppelleben nicht mehr vorstellen.

pflichtlektüre online: Was würdest du einer anderen Studentin sagen, die darüber nachdenkt, sich zu prostituieren?

Martina: Dass sie es sich gut überlegen soll. Es ist ne gute Sache, eigentlich. Aber man muss auch richtig damit umgehen können. Und das große Loch, in das man früher oder später einmal fällt, das kommt. Fragt sich nur wann. Aber Fakt ist: Es kommt. Darauf sollte man auch vorbereitet sein. Denn die Seele holt einen automatisch ein. Wenn man es schafft, das mit sich persönlich auszumachen, dann ist es gut. Aber wenn nicht – und das ist wahrscheinlicher – dann hat man wirklich ein psychisches Problem. Der Preis des Ganzen ist und bleibt hoch. Dieser Tatsache sollte man sich bewusst sein und sich ihr auch klar stellen, wenn man sich wirklich zu diesem Schritt entscheidet.

Was meiner Meinung nach am wichtigsten ist: Falls man das wirklich machen möchte, dann sollte man es nicht machen, weil man auf die Kohle wirklich angewiesen ist, sondern vielmehr private Lust und Freude daran empfinden. Das war auch bei mir so, das Geld war mehr der nette Nebeneffekt. Denn dann lässt es sich definitiv mit diesem Doppelleben besser leben. Und sobald man dann merkt, dass es einem nicht gut tut, sofort aufhören und die Finger davon lassen! Sonst macht es einen kaputt.

Interview: Johanna Rüschoff

Mit dem Pfefferspray in der Tasche zum Freier:
Interview mit Medizinstudentin Tanja auf der nächsten Seite

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2 Comments

  • Eugenio aus kalrsuhre sagt:

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  • Nina aus Karlsruhe sagt:

    Ich bin eine Germanistikstudentin und arbeite SEHR gerne als Prostituierte, jeder weiß es, dass ich es mache. Ich will es nicht verheimlichen! Was ist das Problem? es ist eine ganz normale Tätigkeit wie jede andere! Es ist die einzige Möglichkeit, um mein Studium und Ausgaben zu finanzieren …

    [Anm. d. Redaktion: Ein Teil des Kommentars wurde gelöscht. Bitte macht keine Werbung für externe Portale.]

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