Das Wahlsystem in NRW

Jeder Wähler wird sich fragen, wer bei der Landtagswahl am kommenden Sonntag seine Stimmen bekommt. Stimmen? Ganz recht, alle Wahlberechtigten können zwei Mal wählen. Aber was ist überhaupt der Unterschied zwischen der Erst- und Zweitstimme? Die Antwort steckt schon in der Bezeichnung für das Wahlsystem: das personalisierte Verhältniswahlrecht. Mindestens 181 Abgeordnete werden dabei für fünf Jahre gewählt.

Mit der Erststimme wählen die Bürger der 128 Wahlkreise je einen Direktkandidaten. Die Stimmanteile sind hier egal, der Direktkandidat mit den meisten Stimmen eines Wahlkreises zieht in den Landtag ein. Die restlichen Sitze werden über sogenannte Listenplätze verteilt.

Mit der Zweitstimme wählen die Bürger eine Partei. Die Zahl der zusätzlichen Sitze für die Parteien richtet sich danach, wie viel Prozent der Wählerstimmen sie landesweit bekommen haben. Dabei gilt jedoch eine Sperrklausel von fünf Prozent. Wer über diese Hürde kommt, darf Listenabgeordnete in den Landtag schicken.

Das Wahlsystem der Landtagswahl am 13. Mai. Foto: wikimedia.org/Der Buckesfelder

Das Wahlsystem von NRW im Überblick. Foto: wikimedia.org/Der Buckesfelder Teaserfoto: pixelio.de/Rolf van Melis

Da war doch was mit Überhangmandaten?

Die Zahl von 181 Abgeordneten kann sich jedoch noch erhöhen. Dies geschieht durch sogenannte Überhang- und Ausgleichsmandate. Bekommt eine Partei über ihre Direktkandidaten mehr Sitze, als ihr eigentlich nach Zweitstimmen zustehen, darf sie diese Sitze behalten. Zudem bekommen die anderen Parteien Ausgleichsmandate, also mehr Sitze im Parlament. Die Erststimme wählt also eine Person, die Zweitstimme sorgt für die richtigen Verhältnisse bei der Sitzverteilung.

Da 128 von 181 Sitzen per Direktwahl verteilt werden, ist die Wahrscheinlichkeit von Überhangmandaten relativ hoch. Bei der Landtagswahl 2005 beispielsweise errang die CDU 89 Direktmandate. Mit 44,8 Prozent der Zweitstimmen hätten ihr aber nur 86 Sitze zugestanden. Um diese auszugleichen, wurde der Landtag vergrößert.

Das Wahlsystem führt zu taktischem Wählen

In manchen Wahlkreisen hat oft nur ein Direktkandidat eine reelle Chance auf das Mandat. Sollte man also seinen eigentlichen Favoriten wählen oder eher denjenigen mit den zweitbesten Aussichten, weil man den vermeintlichen Favoriten nicht im Parlament sehen will?

Die Erfahrung zeigt: Viele Wähler handeln so. Nur die großen Parteien CDU und SPD bekamen bei der Landtagswahl 2010 in Prozentpunkten mehr Erst- als Zweitstimmen. Immerhin lässt sich mit der Erststimme eine Partei sogar finanziell unterstützen; das Landeswahlgesetz schreibt vor, dass jede Partei, die mehr als zehn Prozent der Erststimmen in einem Wahlkreis erzielt, pro Stimme 3,50 Euro bekommt.

Mindestens 181 Abgeordnete wollen nach dem 13. Mai in den Düsseldorfer Landtag einziehen. Foto: pixelio.de/Arno Bachert

Mindestens 181 Abgeordnete wollen nach dem 13. Mai in den Düsseldorfer Landtag einziehen. Foto: pixelio.de/Arno Bachert

Auch die Zweitstimme verleitet durch die Fünf-Prozent-Hürde zu taktischem Wählen. Dabei entsteht jedoch ein Dilemma: Wähle ich eine Partei, damit sie über die Fünf-Prozent-Hürde kommt und so eventuell mit meiner eigentlich favorisierten Partei koaliert? Oder tue ich es nicht, weil die Gefahr besteht, dass diese Partei es nicht ins Parlament schafft und meine Stimme damit umsonst ist?

Ist die Fünf-Prozent-Hürde verfassungswidrig?

Ende 2011 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Fünf-Prozent-Hürde bei Europawahlen für verfassungswidrig. Diese Klausel verstoße gegen die Chancengleichheit, kleinere Parteien würden benachteiligt, so die Argumentation der Verfassungsrichter. Auf das Landeswahlrecht trifft dies jedoch nicht zu. Die Sperrklausel soll eigentlich verhindern, dass ein Parlament durch eine zu große Zahl von Parteien ineffektiv wird.

Das Europa-Parlament sei hingegen auch mit einer größeren Anzahl von Parteien noch handlungsfähig, sagt Wilko Zicht, Autor der Internetseite www.wahlrecht.de.  „Es gibt dort sowieso über 160 Parteien, die sich dann zu Fraktionen zusammenschließen.“Außerdem sei eine stabile Mehrheit nicht so wichtig, „da das europäische Parlament nicht direkt eine Regierung wählt“.

Auch eine Klage gegen das aktuelle Bundeswahlgesetz betrifft nicht das Landeswahlgesetz Nordrhein-Westfalens. Bei Bundestagswahlen kann es durch Überhangmandate zu mathematischen Problemen kommen, sodass eine Stimme einer Partei bei der Sitzverteilung sogar schaden kann. Dieser komplizierte Fall sei bei Landtagswahlen viel unwahrscheinlicher und daher nicht relevant, versichert Zicht.

Wer die Briefwahlunterlagen schon zu Hause hat, kann sich damit sogar bis Sonntag abend Zeit lassen. Foto: pixelio.de/Florentine

Wer die Briefwahlunterlagen schon zu Hause hat, kann sich damit sogar bis Sonntagabend Zeit lassen. Foto: pixelio.de/Florentine

Briefwähler können sich Zeit lassen

Wer jetzt schon seinen Sonntag verplant hat, kann beruhigt sein. Noch bis Freitag können die Briefwahlunterlagen beantragt werden. Nach dem Ausfüllen vergisst der ein oder andere aber womöglich, ihn zur Post zu bringen. Auch kein Problem: Die Unterlagen können am Sonntag noch bis um 18 Uhr in den Stadtverwaltungen abgegeben werden. Das Wahllokal des jeweiligen Bezirks kann diese Stimmen jedoch nicht entgegen nehmen. Warum es in jedem Bundesland überhaupt ein eigenes Wahlgesetz gibt? Das liege am Föderalismus, sagt Zicht. „Jedes Land hält sein eigenes Wahlsystem für das Beste.“

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