Der Halo-Effekt: Fliehen wir in eine Scheinwelt?

Die Bedürfnisse des Menschen sind so vielfältig und verschieden. Und sie lassen sich in drei aufeinander aufbauende Ebenen einteilen, erklärt Psychologie-Professor Heinrich Wottawa von der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Es geht um Existenz, Status und Macht.

Psycholgie-Professor Heinrich Wottawa erklärt den Halo-Effekt. Foto: Jonas Fehling

Psycholgie-Professor Heinrich Wottawa erklärt den Halo-Effekt. Foto: J. Fehling

Der Großteil der Produkte, um die es in unserem Leben geht, sind Statussymbole. Sie fallen also in die zweite Ebene. Diese Güter erwerben wir, weil wir uns mit anderen vergleichen, zu einer bestimmten Gruppe gehören wollen und glauben, unsere Stellung mit solchen Statusprodukten verbessern zu können. Deshalb vergleichen wir uns immer mit demjenigen, der noch eine Stufe höher steht als wir selbst und versuchen dieses Niveau ebenfalls zu erreichen.

Diese sogenannten „aufwärts gerichteten Vergleiche“ sind zum Beispiel der Grund für das Wettrüsten mit Smartphones und Tablets. Sobald in der Gruppe jemand mit einem neueren besseren Gerät auftaucht, als man selbst besitzt, erscheint das eigene plötzlich wertlos. Selbst, wenn man es ursprünglich toll fand und damit auf eine neue Stufe in der Gruppenordnung geklettert ist. Hier sei Sättigung eingetreten, sagt Wottawa.

In eine künstliche Welt hineingesteigert

Doch auch wenn sich unser Alltag hauptsächlich um Statusdinge dreht, gibt es dennoch einige Güter, bei denen das Produkt selbst und nicht der Vergleich mit Anderen im Vordergrund steht. Wir wollen also das Produkt um des Produkts willen besitzen und nicht, um jemanden zu beeindrucken. Nun könnte man davon ausgehen, dass die Anschaffung eines solchen Produkts immer sinnvoll ist: Immerhin bleibt Sättigung durch den fehlenden Effekt der „aufwärts gerichteten Vergleiche“ aus.  Trotzdem kommt es vor, dass wir irgendwann das Interesse verlieren. Wieso das?

Ein Hund zu Weihnachten ist der Traum vieler Kinder ... Foto: M. Muecke

Ein Hund zu Weihnachten ist der Traum vieler Kinder. Die Freude über das Tier währt aber oft nicht lang. Teaserfoto/Foto: M. Muecke (www.kankuna.de)

Ein Beispiel ist das Kind, das sich zu Weihnachten einen Hund wünscht und irgendwann das Interesse verliert, bis das Gassigehen an den Eltern hängen bleibt. Das Kind hat sich in eine Welt hineingesteigert, in der der Hund eine bestimmte Funktion eingenommen hat. Zum Beispiel, dass es ihn streicheln kann. Es hat sich im Kopf ein Bild von diesem „Hundhaben“ gemacht und nur das Positive gesehen.

Halo-Effekt schafft homogene Welt

Der Grund dafür ist der sogenannte Halo-Effekt, auch Überstrahl-Effekt genannt. Wenn ein Produkt über ein bestimmtes hervorstechendes Merkmal verfügt, das für uns eine hohe Relevanz hat und uns besonders wichtig ist, überstrahlt es alle anderen Merkmale. Es beeinflusst deren Wirkung auf uns. Handelt es sich bei dem Merkmal um ein besonders positives, so blenden wir die negativen Merkmale aus. Andere positive, aber nicht überragend gute Eigenschaften werden aufgewertet. Sie erscheinen plötzlich besser als sie vielleicht sind. So entsteht in unserem Kopf ein homogenes, geschlossenes Bild.

„Schwarz-weiß“-Sehen ist angenehm

Menschen neigen dazu, Dissonanzen zu vermeiden. Der Mensch möchte schlichtweg nicht, dass etwas sowohl positive als auch negative Eigenschaften hat. Denn dann weiß er nicht, ob er es kaufen und lieben soll oder nicht. Es ist für uns viel angenehmer, wenn wir die Dinge „schwarz-weiß“ sehen können.

Der Halo-Effekt: Steht Mann partout nicht auf große Frauenfüße, so sieht er plötzlich überall weitere Makel. Foto: famulus/flickr

Der Halo-Effekt: Steht Mann partout nicht auf große Frauenfüße, so sieht er plötzlich überall weitere Makel. Foto: famulus/flickr.com

Nehmen wir als Beispiel das „Verliebtsein“. Man malt sich eine Frau ganz toll aus und kann nichts Schlechtes an ihr finden. Schon hat der Halo-Effekt eingesetzt. Auslöser können zum Beispiel ihre blauen Augen gewesen sein, weil zufällig genau das eine Eigenschaft ist, die einem wichtig ist. Nun beginnt man weitere positive Eigenschaften zu suchen und macht sich ein stimmiges Bild. Gleichzeitig werden negative Eigenschaften, wie – überspitzt gesagt – Schuhgröße fünfzig, verdrängt. Ein homogenes Bild entstehe, sagt der Bochumer Psychologie-Professor Heinrich Wottawa.

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