Die Videothek: Früher in, heute retro

Videothek

Ein verregneter Freitagabend: Perfekt für ein paar faule Stunden auf dem Sofa vor dem Fernseher. Wer sich einen Film anschauen möchte, muss dafür heute keinen Fuß mehr vor die Tür setzen. Streaming-Dienste im Internet transportieren den gewünschten Film mit nur wenigen Klicks auf den heimischen Bildschirm. Doch auch echte Videotheken gibt es noch immer – in Dortmund rund 15. Wer geht da noch hin?

Leuchtstoffröhren verbreiten kühles Licht. Grauer Teppichboden. Regale stehen dicht an dicht an den Wänden und bilden Spaliere im Raum. Sie präsentieren bunte bis vergilbte Filmcover aus fast 100 Jahren Filmgeschichte. 9.000 Filme und Spiele gibt es hier zur Auswahl.

Franchise-Nehmer in einer Videothek in der Dortmunder Nordstadt: Marcus Kendziora. Foto: Judith Wiesrecker

Arbeitet lieber in seiner Videothek als im Büro: Marcus Kendziora. Fotos:  Judith Wiesrecker

Marcus Kendziora ist seit 2003 Franchise-Nehmer einer Videothek in der Nordstadt. Gut läuft es nicht gerade für seine Branche. „Die Zahl der Kunden ging in den letzten zehn Jahren rapide runter“, sagt er. Die Folge: Zahlreiche Videotheken mussten schließen, wenige blieben. Die „World of Video“ in der Bornstraße hält sich wacker: „In diesem Stadtteil sind wir mittlerweile konkurrenzlos“, sagt der Inhaber.

Obwohl erst 2006 komplett renoviert, strahlt Kendzioras Videothek den Flair von etwas Vergangenem aus. Einem Relikt aus der Kindheit. Die Videothek versprach Erlebnis, Vergnügen, stets etwas Neues, Unerwartetes, ein Patentmittel gegen Langeweile. Am Anfang ging man noch mit den Eltern, später dann mit Freund oder Freundin hin.

Der älteste Film ist von 1922 

Manch einer ist nur auf dem Sprung und bringt nach dem Feierabend den Film vom Wochenende vorbei, um dann wieder zu gehen. Andere finden schnell und zielstrebig den einen Film, den sie sich für diesen Abend ausgesucht haben. Und wieder andere lesen sich mit aller Zeit der Welt Cover für Cover durch und sind nach einer halben Stunde immer noch nicht fertig.

_MG_4805Als er angefangen hat in seiner Videothek – 2003 war das – brauchte Kendziora an Samstagen und Montagen noch je zwei Mitarbeiter hinter der Theke – einer der neue Filme ausleiht, ein anderer, der Filme entgegen nimmt und einsortiert. Heute ist Kendziora meist alleine.

Natürlich gebe es in der Bornstraße stets die neuesten Filme – aber eben auch alte Sachen. Sätze wie „Was, den Film habt ihr noch?“, höre Kendziora so manches Mal. Über seinen ältesten Film muss der 42-Jährige nicht lange nachdenken: „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ von 1922. Genremäßig ist seine Videothek ebenso breit aufgestellt: Action-, Horrorfilme, Komödien sind zu haben – von „The Transporter“ über „Orphan“ bis zu „Keinohrhasen“. Nach wie vor wichtig fürs Geschäft sei der Erotikbereich. Der befindet sich abseits vom „normalen“ Film-Verleih im Keller. Speziellere Genres sind „Japan“, „Bollywood“ „Western“. Im Bereich Serien habe er in den vergangenen Jahren aufgestockt – die seien sehr gefragt

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Konkurrenz durch Streaming-Dienste und Filmpiraterie 

Neben legalen Streaming-Diensten wie Netflix, Watchever und Amazons Prime Instant Video macht den herkömmlichen Videotheken vor allem die illegale Verbreitung von Filmmaterial zu schaffen. Laut dem Internet-Blog webschauder.de wurden im Jahr 2014 rund 123 Millionen Filme – digital und auf Datenträger – legal vermietet sowie 111 Millionen Filme legal verkauft. Nur schätzen lässt sich die Verbreitung von illegalem Filmmaterial: Weil jede Datei etwa 200 Mal genutzt wird, ergibt sich der unvorstellbare Wert von 607 Millionen Filmen, die über illegale Share- und Videohoster geschaut wurden.

Kein Wunder also, dass Kendziora nachdem das bekannte Streamingportal kino.to und dessen Nachfolger kinox.to aufgeflogen waren, einen deutlichen Nutzer-Aufschwung in seiner Videothek verzeichnete – der dann wieder abebbte. Warum kommen die Leute noch in seine Videothek? Die einen legen Wert auf eine gute Beratung durch den „Videothekar“, die anderen schätzen beim Film einfach beste HD-Qualität, die bei gestreamten Filmen nicht zu erreichen sei, meint der gelernte Bürokaufmann.

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Zwei junge Frauen, Anfang 20, kramen in der Box mit den videtoheks-ausgedienten DVDs, die für ein paar Euro zum Verkauf angeboten werden. Da liegen „Der König der Löwen“ und „Das große Krabbeln“ und lauter andere Kinderfilme. „Wir lieben Disney!“, sagt eine der beiden Besucherinnen. Sie und ihre Freundin gehen gerne in die Videothek – das sei eben retro. Daheim haben sie sogar noch einen Videorekorder.

Teaserbild & Titelbild: Judith Wiesrecker

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