Ein Sport, der sich sehen lassen kann

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Einfach so weitermachen wie davor – das ist Marco Hornbachers Parole. Vor drei Jahren ist er erblindet. Nun spielt er Blindenfußball. Von einem Sportler, der nicht aufhörte, seiner Leidenschaft zu folgen und einem Sport, der fasziniert und dennoch viel zu wenig Aufmerksamkeit erhält.

Von Julian Rohr und Erik Acker

Es ist still auf dem Fußballplatz. So ruhig, obwohl gerade ein Bundesligaspiel läuft. So ruhig, obwohl einer Mannschaft gerade ein Strafstoß zugesprochen wurde. Und so ruhig, obwohl mehr Zuschauer am Seitenrand stehen als bei einem gewöhnlichen Kreisliga-Spiel.

Dieses Spiel ist alles andere als gewöhnlich. Zehn junge Männer stehen auf dem Kunstrasen und müssen sich auf die Geräusche in ihrer Umgebung konzentrieren. Denn sie sind Blindenfußballer. Auch Marco Hornbacher steht an diesem Spieltag auf dem Platz. Er ist Kapitän des PSV Köln. Seit drei Jahren spielt er dort. In seiner Kindheit hatte er mit dem Fußballspielen angefangen – sehend. Mit 17 Jahren erblindete er dann an der Leberschen Optikusatrophie. Natürlich war es nicht einfach für den heute 23-Jährigen, mit der neuen Situation umzugehen. Aber Blindenfußball hilft ihm dabei.

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So eine plötzliche Erblindung muss man mit Humor nehmen. Du kannst nicht wie der letzte Pessimist dasitzen und das bedauern, was du nicht mehr kannst. Ich hab mir die Frage gestellt: Was kann ich noch? Das war bei mir eben der Punkt, mit dem Blindenfußball anzufangen: Einfach so weitermachen wie vorher!

Diesmal spielt der PSV Köln im Stadion an der Weiche in Dortmund-Kirchderne. Gekommen sind acht weitere Mannschaften, um den dritten Spieltag der Blindenfußballbundesliga auszutragen. Heutiger Gegner des PSV Köln ist die Mannschaft der Spielgemeinschaft Braunschweig/Berlin, die bis zu diesem Zeitpunkt nur einen Punkt hinter den Kölnern sind.

Vor dem Spiel ist man schon nervös. Und auch noch kurz vor dem Anstoß. Aber sobald der Ball rollt, ist die Nervosität weg

Kurz vor dem Spiel haben sich die Spieler aufgewärmt, dann betreten die Spieler beider Mannschaften das Feld. Man kennt die Prozedur aus dem Fernsehen. Nur hält sich hier ein Spieler immer an der Schulter des Vordermanns fest und der Schiedsrichter führt die Mannschaften zum Mittelpunkt des Feldes. Pünktlich um 13 Uhr wird das Spiel angepfiffen. Schon hier erkennt man die Unterschiede zum „normalen“ Fußball: Zwei Unparteiische leiten ein Spiel, das zweimal 30 Minuten lang dauert.

 

Der PSV dominiert das Spiel und kann sich früh Chancen erarbeiten. Marco ist während der Partie immer wieder in Zweikämpfe verwickelt, die mindestens genauso hart geführt werden wie es die sehenden Fußballer tun. Um seine linke Hand ist ein Verband gelegt. Er hatte sich noch beim Spiel am Tag zuvor verletzt.

Ich verletze mich eigentlich in jedem Spiel – wenn ich mich nicht verletze, habe ich nicht richtig gespielt

Wer am Spielfeldrand steht und das Spiel beobachtet, vergisst schnell, dass Marco und die anderen Spieler auf dem Feld blind sind – so sicher und gekonnt gehen sie mit dem Ball um. An Spannung verliert das Spiel dabei nicht. Noch in der ersten Hälfte kann Marcos Mannschaft die verdiente Führung erzielen, nachdem Michael Wahl, der Stürmer der Mannschaft, ein tolles Solo vollendet. Marco hingegen kommt in diesem Spiel nicht zu den großen Torchancen. Aber er kämpft um jeden Ball und bekommt dabei nicht selten unbeabsichtigte Schläge und Tritte seiner Gegner ab. Natürlich wird übertriebene Härte auch beim Blindenfußball geahndet. In der zweiten Hälfte passiert es dann: Die Mannschaft aus Köln bekommt aufgrund des harten Vorgehens der gegnerischen Mannschaft einen Strafstoß zugesprochen. Ausführen darf ihn Marcel Wienands, ein Mitspieler von Marco. Der balanciert in sechs Meter Entfernung den Ball vorsichtig unter seinem rechten Fuß, holt aus und haut ihn mit Wucht ins linke obere Eck.

 

Am Ende steht es 2:0 für den PSV. Der Sieg? Absolut verdient! Das finden auch die laut applaudierenden Zuschauer. Marco ist zufrieden mit der Mannschaftsleistung, hadert aber noch ein bisschen mit dem eigenen Auftritt auf dem Platz. „Ich hätte gerne auch ein Tor gemacht. Beim nächsten Mal klappt es dann bestimmt“, kommentiert Marco. Er hat Talent – sicher helfen ihm auch die Erfahrungen im Fußball aus der Zeit vor der Erblindung. In der Nationalmannschaft des Blindenfußballs möchte Marco jedoch nicht spielen. „Dafür sind meine Ohren einfach zu schlecht!“, witzelt er. Denn Marco hört gerne Metal-Musik, am liebsten laut – seine zweite Leidenschaft neben dem Blindenfußball.

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