Duell am Donnerstag: Sampling – Chance oder Diebstahl?

anne_tobias_duell

Wenn ein neuer Song wie ein alter klingt, dann kann das am Sampling liegen. Viele Musiker arbeiten kurze Sequenzen aus anderen Songs in ihre eigenen Stücke ein.  So hat das zum Beispiel Moses Pelham im Titel „Nur mir“ von Sabrina Setlur gemacht – dort wird eine zweisekündige Rhythmus-Sequenz aus dem Song „Metall auf Metall“ von Kraftwerk immer wiederholt. Wie in diesem Fall auch führt das Sampling häufig zu einem Rechtsstreit: Die künstlerische Freiheit oder das Urheberrecht – was ist mehr wert? Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt ein Urteil zu diesem Thema gesprochen. Es stellt Künstlern zwar keinen Freifahrschein aus, hat Sampling aber erlaubt, solange es die Interessen des Urhebers „nur geringfügig beschränkt“. Anne Palka findet das super, sie sieht Sampling als Chance für die Musikszene. Tobias Wurzel dagegen ist mit dem Urteil nicht einverstanden: Auch kurze Sequenzen sind schützenswert.

„Sampling ist eine Hommage an den Künstler“,

findet Anne Palka.

So komisch und widersprüchlich es zunächst klingen mag – Sampling fördert Vielfalt. Denn es erleichtert jungen Musikern den Einstieg in die Szene. Sampling ist für sie die optimale Lösung, wenn sie zwar gute Ideen, aber noch nicht die Möglichkeit haben, Sounds selbst zu produzieren – etwa mit hochwertigen Aufnahmegeräten und Instrumenten. Im Gegensatz dazu ist Sampling mit einem normalen PC und einem einfachen Bearbeitungsprogramm schnell und einfach möglich.

Wenn die Newcomer dann mit ihren gesampelten Stücken erfolgreich sind, bekommen sie vielleicht die Möglichkeit selbst zu produzieren. Und wir als Hörer können gute Musik hören. Langfristig bereichert Sampling die Musikszene also, anstatt sie kaputt zu machen, wie man zunächst denkt.

Trotz Sampling kein Einheitsbrei

Davon abgesehen ist Sampling nicht gleichzusetzen mit schlichtem „Klauen“. Dieser Begriff setzt die Arbeit der Künstler herab, die mit dem Stilmittel Sampling arbeiten. Sie haben eigene kreative Ideen, verändern die ursprünglichen Sequenzen und schaffen ein neues, eigenes Werk.

Das beste Beispiel dafür sind Musikrichtungen wie HipHop oder elektronische Musik aller Art. Ohne Sampling? Nicht vorstellbar, dort wird so viel gesampelt wie in sonst keiner Musikrichtung. Einheitsbrei ist die Musik trotzdem nicht.

Alte Songs gewinnen an Aktualität

Und schließlich ist das Sampling auch für die Urheber gar nicht mal so schlecht, auch wenn sie das immer behaupten. Der wirtschaftliche Schaden ist für sie klein bis überhaupt nicht vorhanden. Und wer würde heute noch über den Song „Metall auf Metall“ sprechen, wenn Moses Pelham nicht eine kurze Sequenz für „Nur mir“ von Sabrina Setlur gesampelt hätte?

Natürlich hat der Rechtsstreit in diesem Fall dazu beigetragen, den Ursprungs-Titel wieder in Erinnerung zu rufen. Aber auch das Sample selbst hätte das erreicht. Dass ein anderer Künstler seine Sequenz verwendet, sollte Kraftwerk nicht verärgern. Die Gruppe sollte sich stattdessen geehrt fühlen –  es ist schließlich eine Hommage an ihre Musik. 

Das ist Diebstahl,

findet Tobias Wurzel. 

Samples, das sind einzelne Rhythmussequenzen, eigentlich nur kleine Musikfetzen. Für das Bundesverfassungsgericht bei einer Länge unter zwei Sekunden: kein eigenständiges Werk. Er revidierte damit die Meinung des Bundesgerichtshofes von 2012. Der lange, widersprüchliche Rechtsstreit zeigt, dass da noch etwas anderes hinter steckt.

Samples werden teilweise aufwendig produziert, geben einigen Stücken erst ihren ganz besonderen Klang. Sie transportieren eine Atmosphäre. Schon in zwei Sekunden Musik kann viel Arbeit stecken. Bei dem Sample aus dem Rechtsstreit zwischen Moses Pelham und Kraftwerk handelt es sich schließlich auch um einen aufwendig produzierten Klang. Sonst würde man heute nicht über einen Sound streiten, der vor fast 20 Jahren gesampelt und vor etwa 40 Jahren produziert worden ist.

Und jetzt soll es legal sein, so etwas einfach zu klauen, ohne dafür zu bezahlen? Das ist den Urhebern gegenüber nicht fair. Was ist mit dem Urheberrecht, dem Schutz des geistigen Eigentums? Unabhängig davon, ob zwei Sekunden Musik ein eigenes Werk sind: Geklaut bleibt geklaut – auch wenn die Sequenz verändert wurde.

Wie viel Werk steckt in zwei Sekunden?

Der Fall Pelham zeigt: Auch sehr kurze Samples können Songs prägen und einen hohen Wiedererkennungswert haben. Ein einzigartiges Werk kann man nicht an seiner Länge messen. Es gibt einen eigenen Markt für Samples – Menschen, die mit der aufwendigen Produktion von Klängen ihr Geld verdienen. Wer das bestreitet, ist schlichtweg ignorant.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts könnte bedeutende Folgen für das Musikbusiness haben. Produzenten könnten mit einer Vielzahl von diesen geklauten Sequenzen ganze Songs zusammenbasteln – ganz legal. Das ist ein Schritt in die falsche Richtung – das ist Diebstahl und einfach falsch! 

Wenn man unbedingt einen bestimmten Sound für sein eigenes Werk nutzen will, gibt es bessere Möglichkeiten: Auf dem legalen Weg beim Urheber die Rechte erfragen oder abkaufen oder versuchen, den Sound selbst nachzuproduzieren. Vielleicht entsteht dadurch sogar ein ganz neues, noch besseres Musikstück, das viel besser zum Künstler passt. 

Falls das alles nicht klappen sollte, dann hilft manchmal auch einfach nur Geduld: Denn 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers verfällt das Urheberrecht auf sein Werk. Dann kann es ganz legal verwendet werden.

das-duell-feederFoto: stockxchng/bizior, S. Hofschlaeger/pixelio.de, Montage: Brinkmann/Schweigmann 
Teaserfoto: flickr.com/Stuart Crawford unter CC BY-NC-ND 2.0

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert