99 Stunden für einen Film

Ein Beitrag von Sabine Knodt

Ein Filmkonzept, das braucht meist viel Planung und Zeit. Doch genau das haben die Teilnehmer beim „99Fire-Films-Award“ nicht: Sie bekommen ein Thema und haben dann 99 Stunden Zeit, einen 99-Sekunden-Film zu drehen. Wer gewinnt, bekommt am Ende 9.999 Euro. Wir haben ein Studententeam aus Dortmund bei diesem Projekt begleitet.

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Stephan Fröhlich, Marc Philipp alias Lachmann und Dustin Steinkühler (v.l.) bereiten sich für den Dreh vor. Fotos: überRot Produktion

Es ist Dienstag, 10 Uhr morgens. Drei Studenten sitzen vor dem Computer und warten gespannt darauf, dass das Thema für den Film bekanntgegeben wird. Und da kommt es auch schon per E-Mail: „Put a smile on your face.“, also: „Lächle doch mal“. Dazu muss die Zahl 500 in irgendeiner Form im Film erscheinen – weil die Automarke Fiat Hauptsponsor des Wettbewerbs ist. Beim „99Fire-Films-Award“ machten dieses Jahr insgesamt 1.559 Teams aus Deutschland, Österreich und der Schweiz mit. Damit ist dieser Wettbewerb der größte Kurzfilmwettbewerb weltweit.

Ab jetzt läuft die Zeit: 99 Stunden bis zur Abgabe. Schnell muss das drei-köpfige Team spontan eine Geschichte entwickeln. Das Team besteht aus Dustin Steinkühler, Irfan Akcadag und Stephan Fröhlich. Die drei kommen aus Dortmund und studieren Film und Regie an der Ruhrakademie in Schwerte. Letztes Jahr haben sie neben dem Studium schon ihre eigene kleine Firma gegründet: „überRot Produktion“. Sie machen hauptsächlich Werbe- und Imagefilme, aber auch Musikvideos und Kurzfilme. Für einen Imagefilm „Ja, ich buche im Reisebüro“, bekam Dustin zum Beispiel auch schon einen Preis. Sie sind also keine Amateure mehr.

Für’s Drehbuchschreiben bleibt nur ein Tag Zeit

Die Zeit rennt. Zum Glück finden die drei Jungs relativ schnell eine Idee. Sie wollen einen Trailer drehen, wie man ihn aus Kinovorschauen kennt, erzählt Stephan: „In diesem Trailer wird ein Superheld skizziert, der die Welt wieder zum Lachen bringen möchte.“ Dieser Superheld soll „Lachmann“ heißen, das wird dann auch gleichzeitig der Titel des Films sein.

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In einer leerstehenden Lagerhalle trifft Lachmann auf seinen Gegner, der verhindern möchte, dass die Welt wieder lacht.

Für die Planung des Kurzfilms geht trotz schneller Idee ein ganzer Tag verloren. Das Drehbuch muss zunächst geschrieben werden, es muss festgelegt werden, wer welche Aufgaben übernimmt. Irfan ist Kameramann, Stephan führt Regie und Dustin übernimmt die Aufnahmeleitung. Dazu müssen natürlich auch Drehorte ausgesucht und reserviert werden. Denn nicht überall darf man einfach so drehen. Eine Szene spielt zum Beispiel in einem Schwimmbad, eine andere Szene in einer alten leerstehenden Lagerhalle. Außerdem braucht das Team Requisiten, Statisten und vieles mehr. Denn so ein Projekt geht natürlich nicht ohne Unterstützung, erklärt Stephan: „Natürlich brauchen wir auch Licht, Ton, Schauspieler, Statisten, da haben wir uns eine ordentliche Crew von der Uni zusammengestellt, aber auch Freunde und Bekannte. Jetzt sind wir eine Crew aus 12 Leuten.“ Das ist schon ganz schön viel für die kurze Zeit.

Es ist Mittwoch, 16 Uhr. Bis zur Abgabe sind es derzeit noch 69 Stunden.
Die letzten Änderungen an Lachmann’s Kostüm werden gemacht: Er hat ein richtiges Comic-Helden-Outfit bekommen. Hautenge, türkisfarbene lange Skiunterwäsche, einen gelben Umhang mit Smileys und gelbe Stiefel. In die werden jetzt noch die Schnürsenkel eingefädelt – fertig ist das Kostüm. Lachmann wird von Mark Philipp gespielt. Er ist Schauspieler und hat schon bei Serien wie „Verbotene Liebe“ und „Marienhof“ mitgemacht. Trotzdem spielt er auch gerne bei solchen Studentenprojekten wie dem „99Fire-Films-Award“ mit, denn „das ist der Nachwuchs, das sind die Regisseure von morgen. Was ich aber immer bewundernswert finde, ist, dass die Leute extrem viel Lust haben, das heißt, die strengen sich an, die haben Bock darauf, und wenn das der Fall ist, dann macht das Arbeiten Spaß.“

„Mach mal den typischen Batman“

Nun geht’s zum ersten Drehort. 33 Stunden sind schon vorbei, 66 Stunden bleiben noch für alle anstehenden Aufgaben. Wir stehen oben auf einem Parkdeck in der Dortmunder Innenstadt. Es ist extrem kalt und total windig. Außerdem wird die Zeit etwas knapp, weil die Sonne gleich untergeht. Stephan gibt letzte Anweisungen an Mark: „Denk daran, du hast gerade wieder einmal die Stadt gerettet. Du triumphierst. Mach mal den typischen Batman. Versuch mal den Fuß hier so ein bisschen einzudrehen, dass dieser Smiley außen in der Kamera zu sehen ist. Geht das?“ Mark stellt sich in Superman-Pose auf die Brüstung, der Umhang flattert im Wind. Der Dreh beginnt. Aus einem Büro auf der anderen Straßenseite schauen neugierig Leute nach oben. Eine Stunde später sind wir hier fertig. Erstaunlich, dass man für ein paar Sekunden so lange drehen muss. Wir sind völlig durchgefroren und fahren erst einmal schnell zurück zu Stephan nach Hause. Da warten schon ein heißer Tee und belegte Brote auf uns.

Sicherheitspersonal unterbricht den Dreh

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Marc Philipp alias "Lachmann" versucht eine traurige Frau in der U-Bahn-Station mit einer Blume aufzuheitern.

Beim nächsten Dreh kommen die Statisten zum Einsatz. Wir sind in einer U-Bahn-Haltestelle. Jetzt sind es noch 64 Stunden bis zum Ende der Frist. Kaum sind die Kameras aufgebaut, nähern sich zwei Mitarbeiter vom Sicherheitsdienst. Denn wir haben keine Drehgenehmigung. Das klappte einfach nicht in der Kürze der Zeit, sagt Dustin: „Man bewegt sich innerhalb dieser ganzen Sache manchmal aber auch in einer Grauzone, man muss manchmal abwägen, ob das Sinn macht und für jede Kleinigkeit eine Drehgenehmigung holt.“ Die Sicherheitsleute drücken aber noch mal ein Auge zu, es kann also weitergehen. 45 Minuten Zeit haben wir bekommen. Alle paar Minuten rauscht eine U-Bahn heran, der Dreh muss immer wieder gestoppt werden. Mittlerweile ist es fast 22 Uhr, Schluss für heute. Dem Team bleiben noch 63 Stunden.

Es ist mittlerweile Freitag, 13 Uhr. In genau 24 Stunden muss der Film bei der Jury eingereicht werden. Wir sind im Haus von Dustins Eltern. Dort wird eine Szene in der Küche gedreht. Ein Ehepaar sitzt am Frühstückstisch, ist aber völlig depressiv, weil die Welt ja ihr Lachen verloren hat. Stoisch klopft der Mann an sein Frühstücksei, die Frau schüttet Kaffee neben die Tasse. Es kümmert sie aber nicht. Da kommt plötzlich Lachmann zum Fenster herein, erzählt einen Witz – und das Ehepaar ist plötzlich wieder fröhlich. Fertig! Die letzte Szene ist im Kasten.

Die Zeit rennt weiterhin und das Team hat noch 20 Stunden Zeit. Stephan ist trotzdem zuversichtlich, dass alles noch klappt. Das gesamte Material muss jetzt gesichtet, geschnitten und zusammengefügt werden. 1,5 Stunden Material haben sie, daraus müssen die Jungs jetzt einen 99-Sekunden-Film realisieren, inklusive Abspann. Außerdem müssen Geräusche hinterlegt und Musik hinzugefügt werden.

Nichts gewonnen, aber das nächste Projekt wartet schon

Es ist Samstag, 13 Uhr. Ende, aus. Alles ist hochgeladen. 99 Stunden sind vorbei. Stephans Fazit: „Anstrengend war es! Wenig Schlaf natürlich, viel Hin- und Herfahrerei, Telefoniererei, Friererei. Ich glaube, das allgemeine Fazit ist, dass es unglaublich kalt war. Aber es ist gut gelaufen, ich habe ein gutes Gefühl!“

Aus allen Einsendungen wählt die Jury dann die jeweils drei besten Filme in den Kategorien „Bester Film“, „Beste Idee“ und „Beste Kamera“ aus. Außerdem gibt es einen Publikumspreis und einen „Sonderpreis der Jury.“ Gewonnen hat letztendlich das Team um Dustin, Stephan und Irfan leider nichts beim diesjährigen „99Fire-Films-Award“. Die 9.999 Euro für den Hauptpreis „Bester Film“ gingen an den Film „Würde“ von einem Filmteam aus München. Trotzdem hatten sie viel Spaß bei der Arbeit. Und der nächste Dreh steht auch schon an: Ein neuer Image-Film für Reisebüros. Drehort ist diesmal New York. Solche Projekte werden dann in den Semesterferien gemacht. Aber wenn es gar nicht anders geht, lässt die Akademie meist mit sich reden, denn für die angehenden Regisseure ist es wichtig, schon während des Studiums praktische Erfahrungen und Referenzen zu sammeln. Über solch ein spannendes Unternehmen, wie das New-York-Projekt vergessen die Studenten dann auch ganz schnell, dass sie bei diesem Wettbewerb mal keinen Preis bekommen haben.