Die Sache mit dem Deutsch lernen

Ein Beitrag von Joanna Pietryka

Für fast alle Austauschstudenten, die nach Deutschland kommen, ist Deutsch lernen die Priorität. Jetzt, am Ende des Wintersemesters und damit rund sechs Monate nach ihrer Ankunft, können die Dortmunder Austauschstudenten einen Vergleich ziehen. Alle wollten die Sprache lernen, aber nicht alle waren erfolgreich. Warum ist das so? Wo liegen die Probleme?

Nach Angaben des Sprachenzentrums der TU Dortmund besuchen pro Semester zwischen 60 und 90 Austauschstudenten Deutschkurse, um die Sprache neu zu lernen oder ihre Kentnisse zu verbessern. Den Schätzungen des Sprachenzentrums zufolge belegen damit zwischen 90 und 95 Prozent aller Austauschstudenen an der Uni Dortmund mindestens einen Sprachkurs. Doch nicht alle bringen ihn zu Ende.

Alberto. Foto: Miriam Robles

Alberto hat seinen Deutschkurs am Sprachenzentrum abgebrochen. Nun will er andere Wege gehen. Foto: Miriam Robles

Alberto Sisi Sanchez, Erasmus-Student aus Spanien, ist ein Beispiel dafür. Er hat seinen Deutschkurs am Sprachenzentrum mit dem Niveau A2 vorzeitig abgebrochen, denn der Kurs war aus seiner Sicht zu einfach und zu langsam für ihn. „Am Anfang waren circa 30 Leute in diesem Kurs, aber jeder hatte ein anderes Niveau in Deutsch. Für einige war die Stufe zu hoch, für andere zu niedrig“, erzählt er. Wegen der Studenten aus Asien hätte man im Kurs nur sehr langsam arbeiten können. „Es ist ganz natürlich, dass es für sie schwieriger ist Deutsch zu lernen als für Studenten aus Europa, aber ich wollte auch die Gelegenheit zum Lernen nutzen“, verdeutlicht Alberto. „Leider habe ich den Kurs aufgegeben und ich bin nicht allein. Ich denke, dass jetzt nur noch circa zehn Studenten in der Klasse sind. Wenn man für den Kurs bezahlen müsste, würde es vielleicht besser werden“, vermutet er. Nun möchte Alberto einen Intensivdeutschkurs vom AStA besuchen, um sein Deutsch zu verbessern.

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Das Sprachenzentrum in der Emil-Figge-Straße 61. Foto: Joanna Pietryka

Einige Abbrecher pro Semester

Nach Angaben des Sprachenzentrums entspricht es „keineswegs den Tatsachen“, dass viele Austauschstudenten ihre Deutschkurse abbrechen. „Einige Abbrecher gibt es sicherlich. Mögliche Gründe liegen dann häufig in der allgemeinen Belastung durch das eigene Studienfach und auch darin, dass zu Beginn des Semesters (zu) viele Sprachkurse begonnen werden“, erklären die Leiterin des Sprachenzentrums, Dr. Meni Syrou, und der Lehrgebietsleiter für Deutsch als Fremdsprache, Dr. Carsten Martin.

Als generelles Problem in Bezug auf die Deutschkenntnisse der Austauschstudenten sieht das Sprachenzentrum die Tatsache, dass viele mit sehr geringen oder sogar ohne Deutschkenntnisse nach Dortmund kämen. „Diese Defizite lassen sich in einem Semester kaum aufarbeiten.“ Im Allgemeinen sind Syrou und Martin aber zufrieden mit den Fortschritten der Studenten. „Im Allgemeinen machen die Austauschstudierenden gute Fortschritte in ihrer Sprachkompetenz während ihres Aufenthalts“, betonen sie.

Marta. Foto: Aleksandra Górska

Marta weiß, dass es nicht gut ist, mit den anderen Austauschstudenten so viel Englisch zu sprechen. Foto: Aleksandra Górska

Englisch sticht Deutsch

Einen Aspekt, der den Lernprozess der Austauschstudenten deutlich erschwert, benennen sowohl das Sprachenzentrum als auch manche Austauschstudenten selbst als Problem: Die Kommunikationssprache außerhalb der Uni ist unter den Austauschstudenten meistens Englisch. „Ich war besser in Deutsch als in Englisch als ich nach Dortmund kam, aber jetzt übe ich mehr Englisch“, sagt Marta Semrau aus Polen. „Jeder Erasmus-Student kann Englisch, aber nicht alle können gut Deutsch sprechen. Manchmal sprechen wir Deutsch, aber wenn wir schnell und einfach kommunizieren wollen, sprechen wir Englisch.“

Trozdem merkt Marta, dass ihr Deutsch seit ihrer Ankunft in Deutschland immer besser wird. Bei jeder Möglichkeit spricht sie Deutsch. Manchmal versteht sie nicht alles, aber die Gespräche machen ihr trotzdem Spaß. „Ich denke, dass das die beste Art ist, um eine Sprache zu lernen. Deutsch begleitet mich jeden Tag, weil in der Uni alle Fächer auf Deutsch sind“, sagt Marta. Trotzdem hat sie keine Ahnung, wie sie alle Klausuren bestehen soll. Die Fächer sind für sie schwer zu lernen, aber sie hofft, dass alles gut geht.

Marta besucht auch zwei Deutschkurse im Sprachenzentrum der TU. Sie ist in der Stufe B2. „Beide Kurse besuche ich sehr gerne mit meinen Freunden. Wir lernen dort Deutsch in freundschaftlicher Atmosphäre“, erzählt sie. „Die Lehrer sind sehr verständnisvoll und hilfsbereit, aber ich finde auch, dass diese Kurse manchmal zu leicht für uns sind. Im Unterricht lerne ich selten etwas Neues. Wir sprechen auch nicht so viel, wie ich es mir wünsche. In zwei Woche werde ich eine Klausur auf Deutsch schreiben, aber ich habe keine Angst, weil ich glaube, dass es nicht so schwierig wird. Viele Leute haben den Kurs abgebrochen, aber ich verstehe das nicht: Sie sind doch nach Deutschland gekommen, um Deutsch zu lernen!“

Debora lernt Deutsch. Foto: Joanna Pietryka

Debora lernt nicht nur mit dem Grammatikbuch Deutsch, sondern auch im Alltag in ihrer WG. Foto: Joanna Pietryka

Kurs und Alltag zum Lernen nutzen

Debora Gutierrez hat in Brasilien sieben Monate Deutsch gelernt. Im September hat sie einen Intensiv-Deutschkurs gemacht, der sie für die Stufe B1 qualifiziert hat. In ihrem halben Jahr  in Dortmund hat sie ihr Deutsch zwar verbessert, aber nicht so sehr, wie sie es sich gewünscht hätte. „In dem Kurs im TU-Sprachenzentrum machen wir fast die ganze Zeit Grammatik-Übungen. Ich weiß, dass Grammatik wichtig ist, aber manchmal ist es zu viel. Deswegen muss ich außerhalb des Kurses selbst lernen. Ich mache ein Praktikum im Technologiezentrum und dort spreche ich viel Deutsch mit meinen Arbeitskollegen. Auch im Wohnheim spreche ich Deutsch mit meiner Mitbewohnerin aus Deutschland. Dank ihr kann ich neuen Wortschatz lernen und dank des Kurses verbessere ich meine Grammatik. Das war nicht so einfach, aber jetzt bin ich mit meinen Fortschritten sehr zufrieden.“

Die Fortschritte der Studierenden hängen laut Sprachenzentrum von verschiedenen Faktoren ab. Zum einen sei die Auswahl und Anzahl der Kurse entscheidend. „Studierende, die lediglich einen Konversationskurs mit zwei Wochenstunden pro Semester besuchen, können nicht die gleichen Fortschritte erzielen wie Studierende, die an mehrstündigen Kursen von vier bis sechs Wochenstunden oder an mehreren Deutschkursen teilnehmen, die dann alle Kompetenzbereiche abdecken.“ Studierende, die während ihres Austauschsemesters lediglich zwei Semesterwochenstunden Deutschkurse besuchten, erhielten nur 30 Stunden Unterricht. „In dieser kurzen Zeit sind dann nur geringe Fortschritte zu erwarten.“ Die Entscheidung, welche und wie viele Kurse besucht werden, liegt aber bei den Studierenden. Ein weiterer Faktor seien die eigene Lernbereitschaft und der persönliche Einsatz für das Erlernen der deutschen Sprache.

Gökhan lernt viel Deutsch. Foto: Joanna Pietryka

Gökhan setzt sich viel mit der deutschen Sprache auseinander. Foto: Joanna Pietryka

Deutschkenntnisse bieten Chancen

Einer, der viel Energie in das Deutsch-Lernen steckt, ist der türkische Austauschstudent Gökhan Ünverdi. „Ich habe mich das ganze Jahr an meiner Heimatuniversität aufgeopfert, um nach Dortmund zu kommen und Deutsch zu lernen“, erzählt er. „In meinem Land gibt es viele Leute, die gar kein Englisch sprechen, deswegen glaube ich, dass ich einen guten Job bekomme, wenn ich Englisch und Deutsch spreche.“ Gökhan ist ein Erasmus-Student im Bereich Maschinenbau an der TU Dortmund. Er bleibt für zwei Semester hier, aber als Bachelor-Student durfte er in diesem Semester nur zwei Kurse in Englisch nehmen. Das ist aber nicht genug für seine Universität, deswegen konzentriert er sich auf Deutsch.

Die deutschen Fächer sind für ihn noch zu schwierig, weil er erst zwei Monate vor seiner Ankunft in Deutschland mit dem Deutsch lernen begonnen hat. Er besucht drei Kurse im Sprachenzentrum: einen Kurs auf dem Niveau A2, Ausspracheschulung und kreatives Schreiben. Außerdem hat er ein Tandem und trifft sich jede Woche mit der deutschen Studentin, um mit ihr Deutsch zu üben. Insgesamt verbringt er acht Stunden in Deutschkursen. „Ich mag meine A2 Stufe-Deutschlehrerin! Sie ist sehr gut. Ich kann kein schlechtes Wort über sie sagen. Alle Studenten warten auf ihre Kurse, weil sie nicht nur freundlich und lustig ist, sondern auch anspruchsvoll.“

Aber nicht nur die Deutschlehrerin hilft ihm mit seinem Deutsch. Seine Patin hat ihn mit ihren Freuden bekannt gemacht und jetzt verbringt Gökhan viel Zeit mit Deutschen und spricht besser und besser. „Ich glaube, dass es möglich ist, in diesem Jahr gut Deutsch zu lernen. Man muss nur viel arbeiten und die ganze Zeit zu sprechen versuchen.“