Geht kopieren über studieren?

Wenn ich daran denke, was für einen Spießrutenlauf ich im Bachelor durchlaufen musste, um ein Zehn-Seiten-Protokoll testiert zu bekommen, wird mir bei der Diskussion über Guttenbergs Doktorarbeit schlecht. Für die Geisteswissenschaftler der Ruhr-Uni bedeutet so eine Arbeit das gleiche Arbeitspensum wie eine zehnseitige Hausarbeit in drei Tagen zu schreiben, um eine gute Note zu erhalten.

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Jeder Satz wurde analysiert und hatte man etwas minimal nicht gekennzeichnet, was von einem anderen Autor stammte, so gab es Punktabzug. In meinem Fall wurden Protokolle zur Überarbeitung so lange abgelehnt, bis alles korrekt war. Politisch korrekt habe ich, als ich selbst Protokolle korrigieren musste, mich genauso verhalten – man will ja vernünftige Wissenschaftler ausbilden.

Fast jeder von den besagten angehenden Wissenschaftlern versuchte, mit dem wenigsten Aufwand ein Protokoll oder eine Bachelorarbeit zu verfassen. Bei dem Pensum im Studium auch kein Wunder – aber eben kaum eines Testates würdig.

Ich achte auf Rechtschreibung, auf Grammatik, auf den Inhalt und darauf, dass Zitate kenntlich gemacht sind. Darüber hinaus wird mit dem Protokollschreiber diskutiert, was er selbst geschrieben hat. Wenn etwas seltsam aufstößt, so gibt es Mittel und Wege herauszufinden, was davon vielleicht doch aus einem Buch oder einem Paper sein könnte. Das wird hier natürlich auch bei Doktorarbeiten praktiziert. Sicherlich gibt es Kulanzbereiche, aber wie kann eine Doktorarbeit zu 70 Prozent ein Plagiat sein?

Natürlich gibt es nur eine begrenzte Anzahl an Ausdrücken und manchmal ist es Zufall, dass man eine Idee hat, die schon mal publiziert wurde. Dass man diese zufälligen Kopien, die kein Plagiat im eigentlichen Sinne sind, immer finden kann, ist ein Fakt. Aber wurde Guttenbergs Dissertation nicht diskutiert? Was für Professoren müssen das sein? Und bei wie vielen anderen hat die Universität in Bayreuth die Augen zugedrückt? Besonders bei Prestige bringenden Studierenden? Oder bei Emporkömmlingen eines Adelsgeschlechts? Und was hat der gute Karl denn sieben Jahre gemacht? Vermutlich viel gelesen.

Dr. Margot Käßmann ist hier gerade als Gastprofessorin und ich muss sagen, ich war darüber zunächst nicht wirklich erfreut. Anscheinend hat sie während ihrer Promotion an der RUB jedoch Anstand und wissenschaftliches Arbeiten gelernt. Mittlerweile rechne ich ihr ihren freiwilligen Rücktritt hoch an und hätte mir gewünscht, dass Karl-Theodor sich früher ein Beispiel daran genommen hätte.

Es ist schon merkwürdig. Wenn jemand dreist genug mit der Tastenkombination Strg+A – Strg+C – Strg+V umgeht, so kann er sogar Minister werden und hochgelobt eine außerordentlich gut bezahlte Position bekleiden. Unsere Angie schien ihren Minister nicht verlieren zu wollen und bewegte ihn nicht zum Rücktritt – aber was bedeutet das für diejenigen, die gerade promovieren? Wenn du einmal den Titel hast, dann passiert erstmal nix, solange du das richtige Vitamin B (in diesem Fall Merkel und das Adelsgeschlecht) auf deiner Seite hast? Politisch korrekt ist das nicht.

Mein Studium mündet vermutlich bald in einer Promotion. Manche Professoren hier auf dem Campus tragen ja sogar mehrere Doktortitel. So schwer kann das ja dann auch für mich nicht sein, oder?

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Anne K. Dote ist eine Studentin des N-Gebäudes an der Ruhr-Universität Bochum, die sich regelmäßig auch in anderen Buchstaben verirrt. In ihrer Kolumne gibt sie einen persönlichen Einblick in den Kosmos RUB - und das normalerweise alle zwei Wochen. Grafik: F. Steinborn, Teaserfoto: pixelio.de / Gerd Altmann

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