Duell am Donnerstag: Verkaufsoffener Sonntag – Muss das sein?

 

_photoshop-halbe-grossKonsum statt Kirche – Am Sonntag zieht es die Leute in NRW wieder in viele Innenstädte: Shoppen ist auch am siebten Tag der Woche möglich. Vor allem für alle, die unter der Woche arbeiten müssen, ist der zusätzliche Tag von Nutzen. Doch für die Angestellten im Einzelhandel bedeutet er eine zusätzliche Belastung. Ob so ein Tag überhaupt sinnvoll ist? Unsere Autoren sind sich uneinig.

Für den Einzelhandel unverzichtbar,

sagt Timo Halbe.

Der Sonntag genießt wie die Feiertage in Deutschland einen besonderen Schutz. Als „Tag der Arbeitsruhe und zur seelischen Erhebung“ wird er nach Artikel 140 des Grundgesetzes geschützt. Doch diese gesetzliche Verankerung stammt aus einer Zeit, in der der Sonntag als heilig galt und die Familien geschlossen in die Kirche gingen. Mit der heutigen Realität hat das letztlich wenig zu tun. Für viele Arbeitnehmer bietet der siebte Tag der Woche die einzige Möglichkeit zur Freizeitgestaltung. Und dazu gehört nun mal auch ein Einkaufserlebnis mit der Familie.

Vier Arbeitssonntage für Arbeitnehmer zumutbar

Natürlich bedeutet der zusätzliche Shoppingtag auch unschöne Arbeitszeiten für die Verkäuferinnen und Verkäufer. Doch für viele andere Berufsgruppen ist ein Sonntag auf der Arbeit schon längst Realität: Ärzte, Kellner, Busfahrer oder Journalisten – sie alle müssen am wöchentlichen Ruhetag dafür sorgen, dass unsere Wirtschaft funktioniert. Und zwar in jeder Woche! Verkaufsoffene Sonntage dürfen in den meisten Bundeländern hingegen nur viermal im Jahr stattfinden. Diese Mehrarbeit ist den Verkäuferinnen und Verkäufer sicherlich zumutbar.

In vielen Städten werden die Ladenöffnungen am Sonntag meist mit regionalen Veranstaltungen verbunden. So lockt z.B. die Verbindung von Shoppingtour und Weihnachtsmarktbesuch viele Menschen in die Innenstädte. Das sorgt für gute Umsätze bei den Einzelhandelsunternehmen und fördert zugleich die lokalen Festivitäten. Ohne verkaufsoffene Sonntage ginge bestimmt manche städtische Kulturveranstaltung verloren.

Wichtig im Kampf gegen Online-Konkurrenz

Tankstellen, Kioske oder Bäckereien haben standardmäßig jeden Sonntag geöffnet. Warum soll sich dann nicht gelegentlich auch für die Einzelhandelsunternehmen die Möglichkeit zum zusätzlichen Öffnungstag bieten? Die Umsätze liegen teilweise drei bis fünfmal höher als an einem normalen Tag.

Doch der viel größere Konkurrent für die Einzelhandelsunternehmen hat 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr geöffnet: Die Online-Shops. Wie das Handelsblatt berichtet werden die Einzelhändler im Kampf mit Versandriesen wie Amazon in den nächsten Jahren starke Umsatzrückgänge verzeichnen. Der verkaufsoffene Sonntag bietet eine Möglichkeit, dem Wettbewerbsvorteil der Internetriesen wenigstens etwas entgegenzuwirken. Denn wenn ich die Hose am Sonntag nicht in der Stadt kaufen kann, dann bestelle ich sie mir einfach im Internet, egal ob Tag der seelischen Erhebung ist oder nicht.

Letztlich gilt also: Wer sich für den Erhalt des Einzelhandels ausspricht, darf sich nicht über verkaufsoffene Sonntage beschweren.

Einfach überflüssig,

findet Carina Groß.

Ein verkaufsoffener Sonntag ist bei der Auswahl an heutigen Einkaufsmöglichkeiten komplett überflüssig. Auch das Oberverwaltungsgericht in Münster hat neuere, strengere Regelungen für verkaufsoffene Sonntage beschlossen. Für abweichende Ladenöffnungen an Sonn-und Feiertagen müsse es demnach einen echten Anlass geben. So hat das Gericht im Sommer einen verkaufsoffenen Sonntag in Velbert im Kreis Mettmann gestoppt. Ein Kinderfest wertete das Oberverwaltungsgericht offenbar als zu geringen Anlass für das Öffnen der Geschäfte am Sonntag. Doch es stellt sich grundsätzlich die Frage, was ist überhaupt ein echter Anlass für einen verkaufsoffenen Sonntag?

Verlust der Lebensqualität

Gerade in der Weihnachtszeit, in der ein besinnlicher Adventssonntag mit der Familie für die meisten im Vordergrund stehen sollte, zieht es die Massen wieder zum Shoppen auf die Straßen – und die Verkäuferinnen und Verkäufer müssen zur Arbeit. Statt den einzigen Tag der Woche also mit Familie und Freunden verbringen zu können, ruft auch am Sonntag die Arbeit – und damit die zusätzliche Belastung. 

Der Sonntag verliert damit seine eigentliche christliche Bedeutung. Denn wie heißt es in der Bibel: „Am siebten Tag sollst du ruhen“. Kein Wunder, dass gerade Kirchen erbitterte Gegner des verkaufsoffenen Sonntags sind. Schließlich steht es bereits im Markus-Evangelium geschrieben: „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.“

Konsumrausch statt Ruhetag

Zudem bedeutet ein weiterer Geschäftstag am Wochenende nicht nur eine zusätzliche Arbeitsbelastung. Besonders kleine und mittelständische Unternehmen werden durch die Öffnung am Sonntag und die Konkurrenz großer Ladenketten unter Druck gesetzt. So müssen sie ihre Mitarbeiter mit einem extra Zuschlag bezahlen. Auslagen, die erst einmal verdient werden müssen.  

Der Konsumrausch führt ohnehin zu immer längeren Öffnungszeiten. Im Vorweihnachtsgeschäft, haben viele Läden bereits bis 22 Uhr geöffnet. Ein immer beliebterer Trend ist auch das sogenannte „Late-Night-Shopping.“ Sekt trinken, über die neuesten Modetrends philosophieren und zusätzlich noch freitags oder samstags bis Mitternacht shoppen. Wer dann noch nicht genug bekommt: Im digitalen Zeitalter hat der Online-Shop 24 Stunden, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr geöffnet.

Den Sonntag zum Shopping-Tag zu machen führt dazu, dass jeder Wochentag zum Arbeitstag wird. Der Sonntag sollte aber ein Tag der Ruhe bleiben. Es ist für viele Menschen ein gemeinsamer freier Tag, um sich mit Freunden und Familie zu treffen. Ohne diesen Ruhetag geht diese Gemeinsamkeit verloren.

Beitragsbild: Flickr unter Verwendung der Creative Common Lizenz

das-duell-feederFoto: stockxchng/bizior, S. Hofschlaeger/pixelio.de

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