Medien-Doktor.de – Heilung mit Medizinjournalismus

Wem hilft eine Kurzmeldung über die blutdrucksenkende Kraft von Walnüssen? Welche Quellen nutzen medizinjournalistische Beiträge? Beruht ein Beitrag nur auf einer Pressemitteilung? Mit solchen Fragen beschäftigt sich die neue Internet-Seite medien-doktor.de. Seit Anfang November 2010 begutachtet Chefredakteur Marcus Anhäuser hier gemeinsam mit 15 Journalisten medizinjournalistische Beiträge. Die pflichtlektüre wollte von Anhäuser wissen, ob das Internet heilsam ist und was es mit dem medien-doktor auf sich hat.

Marcus Anhäuser ist Chefredakteur bei Medien-doktor.de. Foto: Marcus Anhäuser

Marcus Anhäuser ist Chefredakteur bei Medien-doktor.de. Foto: Marcus Anhäuser

Kann das Internet gegen Krankheiten helfen?

Wenn man krank ist, sollte man zum Arzt gehen und sich nicht unbedingt auf das Internet verlassen. Ich sage immer: „Am Ende landet man sowieso immer bei einer Krebserkrankung.“ Als Nutzer muss man ein bisschen Medienerfahrung mitbringen, um verlässliche Informationen im Internet zu erkennen.

Wie zuverlässig sind Diagnosen aus dem Internet?

Das Internet ist nicht dazu da, Diagnosen zu geben. Es bietet zwar sehr viele Informationen, aber für eine gute Diagnose muss man zum Arzt. Wenn man eine Diagnose hat kann man sich unter Umständen über die Krankheit im Internet weiter informieren.

Wo findet sich im Internet objektive Medizininformation? Können Sie Beispiele nennen?

gesundheitsinformationen.de
ist eine gute Seite. Sie ist vom Institut für
Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zusammengestellt und unabhängig. Allerdings finden sich hier nur Informationen über solche Interventionen, zu denen Studien bester Qualität vorliegen, und die gibt es nur leider noch nicht zu allen Erkrankungen. Aber diese Seite ist auf jeden Fall immer einen Blick wert. Werbefreie und unabhängige Informationen bietet auch die Webseite zum Verbrauchermagazin „Gute Pillen, schlechte Pillen“.

Wie kann der mündige Patient empfehlenswerte Seiten erkennen?

Das Internet kann den Weg zum Arzt nicht ersetzen. Foto: Rainer Sturm/Pixelio.de

Das Internet kann den Weg zum Arzt nicht ersetzen. Foto: Rainer Sturm/Pixelio.de

Werbung auf der Seite ist ein Warnzeichen, aber kein hundertprozentiger Hinweis auf schlechte Information. Vor allem wenn Werbung nicht von Redaktionellem getrennt wird, oder wenn direkt neben einer Nachricht Werbung zum selben Thema erscheint, sollte man vorsichtig sein. Wichtig ist ein Blick ins Impressum. Dort erfährt man, wer die Seite betreibt. Es gibt zum Beispiel Seiten über Krankheiten, die von Pharmafirmen gemacht werden. Die können gut sein, sind aber häufig einseitig und führen einen letztlich zum Medikament, das die Firma verkauft.

Ein weiteres Thema sind die Graubereiche zwischen Krankheit, Alter und Schönheit. Da kann natürlich gut geworben werden. Dasselbe gilt für Ernährung und Nahrungsergänzungsmittel. Dort wird eine Menge empfohlen, oft mit dem Hinweis auf „wissenschaftliche Studien“, die aber meist nicht das Papier wert sind, auf dem sie veröffentlicht wurden.

Bei Foren muss man bei Experten aufpassen. Man sollte versuchen herauszufinden, ob die Experten häufiger mit einem bestimmten Medikament oder einer Pharmafirma in Verbindung zu bringen sind, also nicht unabhängig agieren. Außerdem sind die in Foren geschilderten Einzelfälle mit Vorsicht zu genießen. Denn erstens ist die Aussagekraft sehr beschränkt, weil man sie nicht verallgemeinern kann, und zweitens kann man sich nicht sicher sein, ob es sich um eine reale Person und eine echte Geschichte handelt.

Heilsam für den Medizinjournalismus? Die Seite Medien-Doktor.de.

Heilsam für den Medizinjournalismus? Die Seite medien-doktor.de. Screenshot: medien-doktor.de

Das Projekt medien-doktor.de untersucht hauptsächlich klassische Medien und ihre Internet-Abkömmlinge. Greift es nicht zu kurz, bei all den Informationen, die daneben durch das Web schweben?

Mit seinen Kriterien kann medien-doktor.de nur eine bestimmte Art von journalistischen Beiträgen erfassen und zwar die über Interventionen zu bestimmten Krankheiten. Es liefert also keine Abbildung des gesamten deutschsprachigen Medizinjournalismus und schon gar nicht über sämtliche medizinischen Informationsangebote, also zum Beispiel Patienteninformationen auf Gesundheitsseiten. Dafür gibt es andere Kriterien.

Zur Frage: Viele Menschen informieren sich nach wie vor über Regionalzeitungen und die Leitmedien, also die großen überregionalen Zeitungen und Wochenmagazine, die Tagesschau oder das heute-journal. Allerdings werden wir die Liste sicher noch erweitern, wir haben ja erst angefangen. Wir haben zwei Bereiche, einerseits unser Tagesgeschäft die so genannten Specials. Da schauen wir uns zeitlich begrenzt zum Beispiel eine bestimmte Mediengattung an, vielleicht also die Gesundheitsberichterstattung in Frauenmagazinen oder Gesundheitsmagazine im Fernsehen.

Foto: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt/pixelio.de

Im Blickfeld von medien-doktor.de sind Beiträge, die sich speziell mit einer Therapie, einem Wirkstoff oder einem Produkt befassen. Foto: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt/pixelio.de

Was war der Anlass für das Projekt Medien-Doktor?

Anstoß waren Projekte in Australien und Amerika, die es in ganz ähnlicher Form schon seit ein paar Jahren dort gibt. In Australien gab es eine Unzufriedenheit über Medizinjournalismus unter Journalisten und Medizinern. Man kann dann einzelne Berichte aufspießen, so wie das in Blogs geschieht und das in einer eher erzählenden Variante kritisieren, oder systematischer herangehen und mit ausgewählten Gutachtern und definierten Kriterien Beiträge bewerten. Das haben die Australier mit dem Media-Doctor als erstes gemacht, in den USA macht das sehr erfolgreich de Seite HealthNewsReview.org, die uns in der Aufbauphase unterstützt haben. Wir sind also eigentlich Teil einer internationalen Bewegung.

Was sind die Ziele von Medien-Doktor?

Wir wollen den Kollegen helfen, ihre Leser besser über neue Therapien, Gesundheitsprodukte und diagnostische Test zu informieren. Einmal durch unsere Gutachten auf der Webseite, die gute und weniger gute Beispiele liefern, wie man darüber berichten kann. Dabei hoffen wir auf einen Wiederholungseffekt, jeden Tag kann man am konkreten Beispiel nachlesen, worauf es unserer Meinung nach bei einem guten medizinjournalistischen Beitrag ankommt. Es ist zum Beispiel wichtig, den Nutzen verständlich und nicht übertrieben zu erklären, den Artikel nicht einfach aus der Pressemitteilung abzuschreiben, auf Nebenwirkungen hinzuweisen, mindestens eine zweite Meinung einzuholen, oder auch über die Kosten zu berichten, die auf einen zukommen.

Die Kriterien, nach denen die Gutachter von medien-doktor.de urteilen. Screenshot: medien-doktor.de

Die Kriterien, nach denen die Gutachter von medien-doktor.de urteilen. Screenshot: medien-doktor.de

Mit dem Medien-Doktor wollen wir letztlich Kriterien für Qualitätsstandards im Medizinjournalismus in die Debatte bringen, klar machen, dass es so etwas tatsächlich gibt, denn es gibt einerseits sehr gute Medizinberichterstattung, aber gleich neben an, auch wieder ganz schreckliche Artikel.

Außerdem wollen wir eine zentrale Anlaufstelle für den Medizinjournalismus bieten und handwerkliche Fragen beantworten wie: Was unterscheidet eigentlich eine gute von einer schlechten Studie? Was ist eigentlich Disease Mongering? Wie stelle ich die Ergebnisse einer Studien so dar, dass meine Leser oder Zuschauer den Nutzen wirklich verstehen?

Hat sich schon eine Diskussion aufgrund eurer Medien-Doktor-Beiträge eingestellt?

Wir haben ja gerade erst begonnen. Aber als wir die Seite auf der Konferenz der Wissenschafts- und Medizinjournalisten „Wissenswerte“ vorgestellt und gestartet haben, meinten viele es wäre eine sehr gute Idee.

Manche Journalisten drückten natürlich auch ihre Sorgen aus, zum Beispiel über die Vergleichbarkeit der Beiträge aus den Regionalmedien mit denen der Leitmedien, die ja eigenes Ressorts für Wissenschaft und Medizin haben, während bei den Regionalmedien vielleicht ein Redakteur Gesundheit neben vielen anderen Themen abarbeiten muss. Wer sich bei der Arbeit an unseren Kriterien entlang arbeitet, der sollte seinen Lesern, Zuschauern und Zuhörern am Ende bessere Artikel präsentieren können, egal, ob bei einer kleinen oder einer großen Redaktion. Einen Anspruch auf guten Medizinjournalismus haben die Nutzer regionaler wie überregionaler Medien und im Internet natürlich auch.