Autorin Christina Füssmann, die jahrelang als Gerichtsreporterin für die WR gearbeitet hat, erzählt in ihrem neuen Krimi „Almas Baby“ die Geschichte von Alma, einer jungen Frau mit erschreckender Vergangenheit. Schwierige Familienverhältnisse, Missbrauch und eine Karriere als drogenabhängige Prostituierte stürzten sie in den Abgrund. Doch das soll sich jetzt alles ändern: Sie will raus aus diesem Milieu. Die neue Bekanntschaft zu dem bürgerlichen Beamten Berthold hilft ihr, mit ihrer Vergangenheit abzuschließen und den Schritt in eine neue Zukunft zu wagen. Ihr neues Leben verläuft dann jedoch ganz anders als geplant.
Was andere Krimi-Autoren mühsam recherchieren müssen, weiß Christina Füssmann aus Erfahrung. Ein viertel Jahrhundert lang arbeitete sie als Gerichtsreporterin für die Westfälische Rundschau und hat dabei die Arbeitsweise der Polizei und der Gerichtsmedizin hautnah erfahren. Ihre Geschichten und Figuren in ihren Büchern sind zwar fiktional, doch ihre Grundlagen fand Füssmann in der Realität. Auch ihr neuer Krimi „Almas Baby“ hat seine Vorlage in einem Fall, dem Füssmann bei ihrer damaligen Tätigkeit begegnete. Es ist ein Fall, der sie nicht mehr los ließ.
Ein Fall, der im Gedächtnis blieb
Es geschah im Jahr 2003 in Dortmund. Verkleidet als Krankenschwester entwendet eine circa 30-jährige Frau einer frischgebackenen Mutter den Säugling und geht aus dem Zimmer. Erst als die Mutter nach dem Verbleib ihres Kindes fragt, wird klar: Ihr Baby wurde entführt.
In dem Krimi „Almas Baby“ erzählt Füssmann nun die Geschichte der Hauptperson und Täterin Alma, und das auf eine besondere Art. Mehrere Erzählstränge und Rückblenden in die Vergangenheit zeichnen diesen Krimi aus. Als Leser begleitet man nicht nur Kommissar Karl Hammer alias Hammer-Charly, der nun vor der schwierigen Aufgabe steht, eine Säuglingsentführung aufzuklären, sondern auch die Täterin Alma, die nach erfolgreicher Entführung nicht mehr weiß, wie sie mit der Situation umgehen soll.
Was zuvor geschah
Almas Glück scheint im neuen kleinbürgerlichen Leben fast perfekt, als ihr Berthold dann schließlich noch nach kurzer Zeit einen Heiratsantrag macht. Mehr hat sie eigentlich nicht gewollt. Nur ein bisschen Normalität – so sein wie alle anderen. Lediglich eine Kleinigkeit fehlt noch in ihrem neuen Leben, um eine richtige Familie zu werden: ein Kind. Die erste Fehlgeburt erleidet Alma noch auf der Hochzeitsreise, die zweite lässt auch nicht lange auf sich warten. Weil das eheliche Bett langsam zum Leistungszentrum wird, zerbröckelt allmählich das so harmonische Miteinander zwischen Berthold und ihr.
Doch dann passiert es doch: Alma wird zum dritten Mal schwanger – das erzählt sie zumindest Berthold. Um den Traum vom kleinbürgerlichen, normalen Leben und einer Familie zu verwirklichen, entführt sie kurzerhand ein Baby aus einem Krankenhaus. Ihrem Mann Berthold erzählt sie, dass sie eine „Spontangeburt“ hatte. Doch dann der erste Rückschlag: Alma kann das Baby nicht beruhigen, nicht füttern – dann schickt sie Berthold mit dem Kind am nächsten Morgen auch noch zum Arzt. Wie soll es jetzt weitergehen?
Kommissar Hammer-Charly ermittelt
Eine Frage, die sich nun auch Kommissar Hammer-Charly stellt, den Christina Füssmann schon in ihrem ersten Krimi „Ein Herz so rein“ eingeführt hat. Er steht vor einem schwierigen Fall und weiß einfach nicht, wo er anfangen soll. Komissar Hammer-Charly, ist eigentlich ein gefasster Ermittler. Die Tatsache, dass es sich in diesem Fall jedoch um ein kleines zerbrechliches Baby handelt, setzt ihn doppelt unter Druck. Weitere Fälle, wie der eines hysterischen Beamten, der seine Frau mitsamt dem gemeinsamen Baby vermisst – sie seien nicht, wie gewollt, beim Arzt angekommen – und die Leiche einer alten Frau interessieren ihn da herzlich wenig.
Volker Lauer, der treue Vize des Hauptkommissars, versucht nun seinem Chef zu helfen und gibt ihm eine Aufstellung mit Baby-Entführungen aus den vergangenen Jahren. Vielleicht hilft diese Auflistung, erste Anhaltspunkte zu finden. Alle aufgelisteten Fälle konnten immerhin aufgelöst werden.
Auszug aus dem Buch
„Und wenn wir die schreckliche Ausnahme sind?“ Hinter Hammer-Charlys Stirn beginnt es zu pochen. Er greift zu der Aufstellung und liest – mehr um sich abzulenken, als in der Hoffnung, davon wirklich neue Erkenntnisse zu gewinnen. Aufgeführt waren insgesamt nicht mehr als sieben Fälle. Alle schienen, was Tatausführung und Motivlage anbelangt, derart identisch, als wäre hier ein einziger Täter am Werk gewesen. Besser gesagt eine Täterin.
*Januar 1999: Entführung aus dem Bethesda Krankenhaus in Mönchengladbach. Täterin war eine als Krankenschwester verkleidete Friseurin (33). Das Kind wurde in ihrer Wohnung aufgefunden. Es war ihm nichts passiert.
*September 1999:
Entführung aus dem Säuglingszimmer des Krankenhauses in Berlin-Friedrichshain. Täterin war eine verwirrte 22-jährige Studentin. Der Säugling blieb unversehrt.
*Februar 2000:
Aus einem Krankenhaus in Wetzlar wird ein Neugeborenes von einer 26-jährigen Italienerin entführt und einen Tag später in Gießen gesund aufgefunden.
*Februar 2001:
In Bremen wird ein kleiner Junge – gerade einmal einen Tag alt – aus dem Zentralkrankenhaus entführt und am folgenden Tag in gutem Zustand aufgefunden – wohl versorgt von seiner 36-jährigen Entführerin, die zuvor das Sorgerecht über ihre eigenen fünf Kinder verloren hatte.
*November 2001:
Entführung eines Babys aus einem Krankenhaus in Bückeburg. Das Kind wird 24 Stunden später 30 km entfernt in Porta Westfalica gesund aufgefunden. Täterin war eine 20-Jährige.
*Mai 2005:
Baby-Entführung aus der Leverkusener Remigius-Klinik. Das Kind wird vier Tage später im Fahrstuhl eines Geschäftshauses in Düren wohlbehalten wiedergefunden.
*November 2008:
Elbklinik Buxtehude. Täterin ist eine 24-Jährige. Motiv: unerfüllter Kinderwunsch. Sie setzt das Kind kurze Zeit später in der Cafeteria des Krankenhauses in Bremerhaven ab.
Sieben Fälle. Nur ein ganz kleiner Teil dessen, was tatsächlich vorgefallen ist. Sorgsam dokumentiert. Es gibt viel mehr.
Baby-Entführungen noch direkt aus der Säuglingsstation geschehen in Deutschland ein bis zweimal im Jahr und meist erscheinen Tathergang und Motiv identisch. Fälle wie diese sind vergleichsweise zwar eher selten, doch sie passieren. Was in dem Krimi „Almas Baby“ nun aber im Raum steht, ist nicht die Frage: Wie Alma die Tat begeht sondern eher warum und was passiert danach?
Realitätsfetzen im Buch
„Ich kann mich nicht von der Wahrheit lösen.“, sagte Füssmann im Interview mit der Pflichtlektüre. Einen Kommissar, der sich alleine in waghalsige Befreiungsaktionen stürzt, wird es in ihren Krimis nicht geben. Doch genau das macht den Reiz ihrer Krimis aus – die packende Realität. Auch der Kommissar Hammer-Charly selbst hat sein Vorbild in einem echten Ermittler einer Mordkommission, den Füssmann bei ihrer Arbeit als Gerichtsreporterin erlebt hat. Den Hang zur Realität bekommt auch der Leser zu spüren. So gibt die im Buch von Volker Lauer überreichte Aufstellung zum Beispiel sieben reale Fälle wieder.
Insgesamt verteilt sich der Krimi auf 18 Kapitel, die sich aber keineswegs übertrieben in die Länge ziehen. Alle Charaktere und deren Hintergrundgeschichten werden gewissenhaft vorgestellt – unwichtige Nebenfiguren gibt es keine. Füssmann erzählt anschaulich und ohne mit leeren Worthülsen um sich zu werfen. Eingefleischte Dortmunder und Stadtliebhaber dürfen sich auf bekannte Orte und Ereignisse freuen.
Der nächste Krimi kommt bestimmt
Die Buchpremiere ihres zweiten Dortmund-Krimis hat zwar gerade erst im Mai stattgefunden, doch auch in Zukunft werden wir von Christina Füssmann lesen und hören können. Denn Füssmann gehört nicht nur zu den im Ruhrgebiet bekannten Bloody Marys – die Autorinnen halten Lesungen der besonderen Art ab – sie hat zudem auch schon den nächsten Krimi auf der hohen Kannte. Spannende Fälle kennt die ehemalige Gerichtsreporterin immerhin viele.
Mehr zum Buch
Bereits erschienen im OCM-Verlag, Dortmund
Preis: TB, 10,90€
Seiten: 172
ISBN: 978-3-942672-07-8
web: Internetauftritt der Autorin
web: Der OCM-Verlag Dortmund online
web: Internetauftritt der Bloody Marys – Frauen lesen für Frauen
pflichtlektüre: Blutige Märchenstunde