Horst Köhler: Er ist dann mal weg

Der Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler am 31.05. sorgt deutschlandweit für Diskussionen. Nach einem umstrittenen Interview zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr hatte Köhler am Montag seinen sofortigen Rücktritt verkündet. Die Studenten sind völlig überrascht.

Bundespräsident Horst Köhler trat am 31.05. von seinem Amt zurück.

Bundespräsident Horst Köhler trat am 31.05. von seinem Amt zurück. Foto: Offizielles Porträt.

„Ich bin total schockiert“, sagt BWL-Student Jens. „Ich konnte es nicht fassen, dass er zurücktritt.“ „Überraschend und unverständlich“, findet auch Pädagogik-Studentin Kim. „Ich war geschockt“, sagt ein Wirtschaftsstudent. „Vor allem enttäuscht.“ Für die meisten Studierenden kommt der Rücktritt des Bundespräsidenten völlig unvorhergesehen. Und nicht nur sie sind überrascht: Außenminister Guido Westerwelle war angeblich „vom Donner gerührt“, Bundeskanzlerin Merkel versuchte laut eigener Aussage, den Bundespräsidenten umzustimmen – vergebens.

Diskussionsstoff Wirtschaftskrieg

Vorausgegangen war dem Rücktritt ein Interview Köhlers mit dem Deutschlandradio Kultur. Darin sagte er, Deutschland müsse „mit dieser (…) Außenhandelsabhängigkeit“ wissen, „dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren.“ Viele legten dies als eine Rechtfertigung für Wirtschaftskriege aus. Nicht wenige bezogen die Aussage auch auf den Afghanistan-Einsatz. Köhler dementierte solche Intentionen und trat kurz darauf zurück. Doch die meisten Studenten haben Zweifel, dass das Interview der einzige Rücktrittsgrund ist.

Rätsel um die Beweggründe

Finden Köhler weiterhin sympathisch: Die Pädagogik-Studentinnen Kim und Ulrike. Foto: Alina Schwermer.

Finden Köhler weiterhin sympathisch: Die Pädagogik-Studentinnen Kim und Ulrike. Foto: Alina Schwermer.

„Ich finde das alles sehr fadenscheinig“, sagt Kunststudentin Ann-Kristin. „Da haben sich andere Leute ganz anderes geleistet.“ „Da wird gerade aus einer Fliege ein Elefant gemacht“, sagt Journalistik-Stundentin Anna. „Ich finde es total unnötig“, stimmt ihre Freundin Melanie zu. Die meisten Studenten waren nach wie vor zufrieden mit dem Bundespräsidenten. „Ich finde ihn total sympathisch“, erzählt Kulturwissenschaftlerin Lena. „Er hat Deutschland gut repräsentiert.“ „Ich finde es sehr schade, weil ich ihn mochte“, sagt Pädagogik-Studentin Kim. Auch der Wirtschaftsstudent bedauert den Rücktritt: „Ich bin enttäuscht, weil ich viel von ihm halte. Er war einer mit Rückgrat. Und er war sehr volksnah.“

Diese Volksnähe ist vielen Studenten in Erinnerung geblieben. „Bei der WM war er zum Beispiel total toll“, erinnert sich Melanie. „Er war sehr authentisch und menschlich.“ „Ich fand es gut, dass er sich oft durchgesetzt hat“, sagt BWL-Studentin Christin. „Er war neutral, das muss sein.“ „Er ist selber nach Afghanistan geflogen, um die Soldaten zu motivieren“, erinnert sich der Wirtschaftsstudent. Auf dem Rückflug dann allerdings der Fehltritt: Dort gab Köhler das viel diskutierte Interview.

Sympathieträger oder Grüß-August?

Ist Köhler ein Grüß-August? TU-Studentin Maren. Foto: Alina Schwermer.

Sieht Köhler eher als Grüß-August: TU-Studentin Maren. Foto: Alina Schwermer.

Vor dem Hintergrund des Interviews werden trotz breiter Sympathien auch kritische Stimmen laut. Weniger wegen der Wortwahl – eher wegen des Rücktritts. „Ich finde, er hat zu schnell aufgegeben“, sagt etwa Kulturwissenschaftlerin Lena. „Das war schwach.“ „Ich fand es unverständlich“, sagt Kim. „Die Gründe waren nicht einleuchtend.“ „Ich hätte mehr Verantwortung erwartet“, sagt BWL-Student Jens. Einige hatten mit dem Bundespräsidenten ohnehin wenig zu tun. „Er war mehr so ein Grüß-August“, findet Pädagogik-Studentin Maren. Anna hingegen verteidigt Köhler: „Was er im Interview gesagt hat, war eine unglückliche Äußerung. Er hat das nicht so gemeint.“

Wie auch immer man zu Köhler steht: Die Diskussionen werden auch in den nächsten Wochen weitergehen. Denn nach dem Rücktritt braucht Deutschland schnellstens einen neuen Bundespräsidenten. Am 30. Juni soll die Wahl stattfinden. Dann wird Deutschland vielleicht einen neuen Sympathieträger haben. Oder einen neuen Grüß-August.

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