Pinkwart: Schütten das Kind nicht mit dem Bade aus

Es wird ein spannendes Jahr in der Bildungspolitik: Im Mai sind Landtagswahlen in NRW. Beim Urnengang können Studenten mitentscheiden, wie es in der Hochschulpolitik weitergehen soll. Pflichtlektüre hat bei Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) und SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft nachgefragt, wie sie zu Bologna und Studiengebühren stehen.

NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart.

NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart will die Studiengebühren beibehalten. Foto: FDP

Vorausgesetzt, Ihre Partei ist in NRW nach der Wahl an der  Macht. Werden die Studiengebühren auf absehbare Zeit abgeschafft?
Andreas Pinkwart: Die Studienbeiträge bleiben, weil sie sinnvoll sind und viel Positives bewirkt haben. Das Studium an den Universitäten in NRW ist durch die Beiträge spürbar besser geworden. Zum einen durch die vielen Verbesserungen in der Lehre, die durch Studienbeiträge bezahlt werden können. Zum anderen hat sich ein Mentalitätswechsel vollzogen: Die Hochschulen nehmen ihre Studierenden ernster und die Studierenden ihr Studium. Unser Modell ist sozial verträglich, weil jeder die Möglichkeit hat, die Beiträge erst nach Berufseinstieg zu entrichten und weil die meisten Bafög-Empfänger davon freigestellt sind. Die Ergebnisse lassen sich sehen: Wir haben derzeit Rekordzahlen bei Studienanfängern und bei Absolventen.

Hannelore Kraft: Die SPD steht für Gebührenfreiheit von der Kita bis zur Hochschule. Deshalb werden wir jegliche Form von Studiengebühren zeitnah nach der Wahl abschaffen. Diese Abschaffung kann jedoch nicht ohne eine Gegenfinanzierung in gleicher Höhe erfolgen. Die Hochschulen benötigen die Mittel, die sie heute durch die Studiengebühren einnehmen, schließlich nach wie vor zur Verbesserung der Lehre. Die zusätzlich zur Verfügung gestellten Landesmittel sollen aber nach strengen Kriterien vergeben werden damit wirklich die Qualität der Lehre verbessert wird.

Welche großen Fehler sind Ihrer Meinung nach bei der Einführung von Bachelor und Master unterlaufen, seitens der Hochschulen und seitens der Politik?
Pinkwart: In vielen Fällen haben die Hochschulen das sehr gut umgesetzt. Es gibt aber auch Studiengänge, bei denen die Stoff- und Prüfungsdichte zu hoch sind und die Voraussetzungen für Auslandssemester schlecht sind. Es ist wichtig, dass diese Probleme schnell gelöst werden. Das Memorandum der Rektoren der NRW-Hochschulen zeigt, dass sich die Unis hier in der Pflicht sehen. Geld ist genug da, auch weil das Land seine Zuschüsse deutlich erhöht hat. Die Hochschulen haben heute 600 Millionen Euro mehr zur Verfügung als 2005 – davon machen die Studienbeiträge 280 Millionen Euro aus.“

SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft. Foto: SPD

SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft will die Studiengebühren abschaffen. Foto: SPD

Kraft: Die zwei großen Ziele der Bologna-Reform sind in vielen Fällen nicht erreicht worden. Die Studiengänge sollten inhaltlich reformiert werden und die Vergleichbarkeit der Abschlüsse sollte verbessert werden. Häufig sind jedoch die Studieninhalte nicht neu konzipiert worden, sondern einfach in die viel kürzeren Bachelor-Studiengänge gepresst worden. Darunter leiden die Studierenden am meisten, noch dazu in einer Zeit, in der sie neben ihrem Lebensunterhalt auch noch für Studiengebühren aufkommen müssen. Zugleich ist ein Wildwuchs an Studiengängen entstanden, der eine Vergleichbarkeit und damit die Mobilität zwischen den Hochschulen erschwert oder gar unmöglich macht. Die Bologna-Reform wird zwar an den Hochschulen umgesetzt, deshalb muss sie auch dort korrigiert werden. Aber es wird immer deutlicher, dass sich die Politik aus diesem Prozess nicht zurückziehen darf. Sie muss Qualitätsstandards überwachen, dafür sorgen, dass es eine Koordination zwischen den einzelnen Hochschulen, aber auch zwischen den Bundesländern gibt. Es kann nicht sein, dass man mittlerweile nicht einmal mehr innerhalb Nordrhein-Westfalens den Studiengang wechseln kann. Vom Wechsel zwischen Bundesländern ganz zu schweigen. Da ist NRW, das sich vollständig aus der Verantwortung für die Hochschulen gezogen hat, Schlusslicht in Deutschland.

Vorausgesetzt, ihre Partei ist nach der Wahl an der  Macht: Welche konkreten Schritte planen Sie, um die Bologna-Reform zu reformieren?
Pinkwart: Damit warten wir nicht bis zur Wahl, wir sind schon längst tätig. Die Uni-Rektoren haben sich auf einen Bologna-Check verpflichtet. Im März treffen wir uns erneut. Dann sollten für jeden Studiengang, wo Verbesserungsbedarf erkannt worden ist, konkrete Maßnahmen auf dem Tisch liegen. Die Unis werden auch zusätzliches wissenschaftliches Lehrpersonal einstellen. Eines aber werden wir nicht tun: Das Kind mit dem Bade ausschütten. Bologna ist richtig und wichtig, man muss es nur überall gut machen.

Kraft: Wir wollen einen Bologna-TÜV, eine Reform der Reform. Die Hochschulen sollen sich auf anerkannte Qualitätsstandards einigen, sich beispielsweise dazu verpflichten, Studieneingangsbegleitungen zu organisieren. Es soll freiere Wahlmöglichkeiten bei Seminaren und Vorlesungen und weniger Anwesenheitspflichten geben. Außerdem lehnen wir eine Quotierung beim Übergang vom Bachelor zum Master ab. Zur besseren Vergleichbarkeit der Studiengänge wollen wir gemeinsam mit den Hochschulen kooperative Standards für die wechselseitige Abstimmung der Studieninhalte und eine einheitliche Berechnung und Vergleichbarkeit der ECTS-Punkte entwickeln.

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