Die Verschulung ist nicht das Problem

Höhere Wellen hätte der Bildungsstreik kaum schlagen können: Von Bulimie-Studium war die Rede und dem Ende des Humboldtschen Bildungsideals. Es ist ein großer Erfolg der Proteste, dass sie zu einem gesellschaftlichen Nachdenken darüber geführt haben, was universitäre Bildung heute bedeuten soll. In dieser notwendigen Diskussion aber geht nun Einiges durcheinander. Ein Kommentar.

Barbara Wege

Barbara Wege

Die Verschulung der Bachelor-Studiengänge wird zum zentralen Defizit der Bologna-Reform stilisiert. Dabei ist sie notwendige Konsequenz der Tatsache, dass immer mehr junge Menschen an die Unis strömen. Wer  richtigerweise verlangt, dass vierzig Prozent eines Geburtenjahrgangs studieren, muss akzeptieren, dass Hochschulen zu Massenbetrieben werden, die klare Strukturen brauchen. Es ist zudem fraglich, ob knapp jeder Zweite eines Geburtenjahrgangs das Humboldtsche Bildungsideal in Reinform leben will – mit ausgedehnten Bib-Besuchen und interdisziplinärem Forschungsinteresse. Es ist richtig, dass Bachelor-Studenten einen Fahrplan an die Hand bekommen. Fühlten sich doch einst etwa viele Diplomer alleingelassen. Eine Großzahl Studierender will  an der Uni vor allem gut auf ihren Beruf vorbereitet werden – das kann der Bachelor leisten, vorausgesetzt, er ist sinnvoll aufgebaut.

Jetzt heißt es: Kräftig ausmisten.
Doch daran hapert es. Der Kern der Bachelor-Misere ist nicht die Verschulung an sich, sondern die Überfrachtung der neuen Studiengänge: Zu volle Stundenpläne, zu viele Prüfungen, zu wenig Zeit für zu viele Inhalte. Dass es vielerorts nicht gelungen ist, Diplom und Magister in studierbare Bachelor zu überführen, ist ein Drama. Der erste Schritt muss nun sein, dass Unis den Bachelor großzügig entrümpeln und Akkreditierer das zulassen. Einen Studiengang zu schaffen, der studierbar ist, das ist eine lösbare Aufgabe.
Der Bachelor muss allerdings nicht nur zu schaffen sein, er muss auch anerkannt werden. Hier sind diejenigen Firmen in der Pflicht, die die Absolventen zu zögerlich einstellen. Die falsche Konsequenz ist, wie Bildungsministerin Annette Schavan nun nach einem Anspruch auf einen Masterplatz für jeden Bachelor-Absolventen zu rufen. Das konterkariert den Sinn der Reform, mit der viele Studierende zügig auf dem Arbeitsmarkt landen sollen. Jahrelang wurde sich beschwert, dass die Deutschen zu lange brauchen, bis sie ihren ersten Job antreten – nun wird schon wieder über einen achtsemestrigen Bachelor nebst viersemestrigem Master als Regelfall nachgedacht.

Schluss mit Schwarzer-Peter-Spiel
Die schwierigste Aufgabe ist freilich, die Studiengänge mit denen im Ausland abzugleichen. Doch es war zentrales Ziel von Bologna, die Mobilität von Studierenden zu erhöhen. Daran müssen sich die Beteiligten messen lassen.  Dass die Rektoren der NRW-Unis in ihrem Memorandum nun Korrekturen versprechen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Mit dem Schwarzer-Peter-Spiel zwischen Hochschulen, Politik und Akkreditierern muss Schluss sein. Die Tatsache, dass alle Beteiligten Fehler zugeben, zeigt, wie groß die Defizite sein müssen. Dass es nicht nur um die Nachjustierungen geht, die bei jeder Reform nötig sind. Überstürzen wollen die Unis nichts. Das ist richtig, allerdings darf dabei nicht in den Hintergrund treten: Die Hochschulen hatten bereits zehn Jahre Zeit, von denen manche die ersten verschlafen haben. Jeder Student weiß: Wer am einen Tag verschläft und seine Arbeit nicht schafft, muss am nächsten eine Nachtschicht einlegen. Jetzt müssen Ergebnisse her.

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Foto: Florian Hückelheim

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